„Flucht oder Angriff – das Gehirn im Stressmodus“
Machen Sie sich klar, dass beide, Sie und Ihr Partner oder Ihre Partnerin, in einer Stress-Situation sind. Die Corona-Krise wird von unserem Gehirn als Gefahr wahrgenommen. Dafür kennt es zwei Antworten: Angriff oder Flucht. Weglaufen geht gerade nicht, also bleibt Angriff übrig. Das heißt: Wir sind gereizter als normalerweise, und unsere Aggression kann sich auch mal gegen den Partner richten. Trotzdem wird das Problem dadurch nicht gelöst, der Stress bleibt bestehen. Unser Gehirn ist also in einem dauernden Notfallmodus. Wenn wir das wissen, gewinnen wir dadurch etwas Kontrolle zurück.
Wichtig ist auch zu wissen: Menschen gehen unterschiedlich mit Stress-Situationen um. Manche nehmen eine Krise eher locker hin, andere werden überaktiv, wieder andere verfallen in Schockstarre oder reagieren depressiv, manche werden panisch. Nichts davon ist erst einmal richtig oder falsch. Es sind einfach individuelle Verhaltensweisen.
Welcher Stress-Typ sind Sie? Wenn Sie merken, dass negative Gefühle in Ihnen aufsteigen, versuchen Sie innerlich einen Schritt zurückzutreten, tief ein- und wieder auszuatmen und festzustellen, was in Ihnen los ist: Habe ich gerade Angst? Wusele ich herum wie ein aufgescheuchtes Huhn, um mich von meinen Gefühlen abzulenken? Würde ich am liebsten nur um mich schlagen oder schreien? Und dann akzeptieren Sie das Gefühl, so wie es ist. Wir alle leben zur Zeit in einer Ausnahmesituation, da ist es verständlich, wenn man starke Stressreaktionen zeigt.
Versuchen Sie dann, Ihrem Partner zu erklären, was mit Ihnen los ist. Sagen Sie z.B.: „Ich würde mich am liebsten ins Bett legen, die Decke über den Kopf ziehen und nie wieder rauskommen. Aber ich habe das Gefühl, dass ich immer funktionieren muss und eigentlich nicht mal weinen darf. Das stresst mich sehr.“ Wenn Sie es schaffen, von sich zu erzählen statt ihm Vorwürfe zu machen, machen Sie es Ihrem Partner leichter, Sie zu verstehen und für Sie da zu sein.
Haben Sie auch umgekehrt für seine individuelle Stress-Reaktion Verständnis und kritisieren Sie sie nicht. Versuchen Sie für Ihren Partner da zu sein und legen Sie nicht alles auf die Goldwaage. Gemeinsam kommen Sie besser durch die Krise.