Am 5. April 1992 ist die UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland in Kraft getreten. Ein wichtiger Schritt, um die Rechte von Kindern zu sichern. Allerdings sind die Kinderrechte 25 Jahre nach der Ratifizierung noch immer nicht in der deutschen Verfassung verankert. Kinder kommen dort nur als Regelungsgegenstand der Eltern vor, nicht aber als Individuen mit eigenen Bedürfnissen. Es ist daher dringend notwendig, Kinder als Rechtssubjekte im Grundgesetz anzuerkennen und ihnen Förder-, Schutz- und Beteiligungsrechte an höchster Stelle zu garantieren. SOS-Kinderdorf unterstützt daher die vom Land Nordrhein-Westfalen angestoßene Bundesratsinitiative für eine Grundgesetzänderung und fordert die Bundesregierung auf, Kindern endlich einen verfassungsrechtlichen Schutzanspruch zu gewähren.
„Kinder sind das wertvollste Gut einer Gesellschaft – die Sicherung ihres Wohls ist daher unbedingt an höchster Stelle rechtlich abzusichern. Der Schutz, die Förderung und die Beteiligung der kommenden Generation muss ein zentrales Anliegen sein“, fordert Dr. Birgit Lambertz, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des SOS-Kinderdorfvereins. „Kinder und Jugendliche sind keine kleinen Erwachsenen, sondern brauchen aufgrund ihrer Verletzlichkeit ganz besonderen Schutz und kindgerechte Förderung. Deshalb ist es so wichtig, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern.“
Politik, Behörden und Verwaltungen müssten dann bei allen Kindern betreffenden Entscheidungen das Kindeswohl vorrangig berücksichtigen – sei es beim Schutz vor Gewalt und Mobbing, bei umweltrechtlichen Bestimmungen, im Asyl- und Ausländerrecht oder auch in der Stadtplanung und im Baurecht. Die Position von jungen Menschen wäre somit ganz grundsätzlich gestärkt, wenn ihre Interessen in Konflikt mit anderen, in der Regel „erwachsenen“, Interessen geraten.
„Momentan räumt die deutsche Verfassung Kindern keine eigene Rechtsstellung ein, sondern definiert sie nur als Regelungsgegenstand der Eltern. Die Sicherung des Kindeswohls erfolgt demnach nur über die Elternrechte“, erläutert Lambertz. Wenn aber Eltern ihrer Verpflichtung für das Kindeswohl zu sorgen nicht ausreichend nachkommen, hat die staatliche Gemeinschaft darüber zu wachen. Fälle von Kindesmisshandlung und -vernachlässigung zeigen jedoch, dass das staatliche Wächteramt oftmals zu spät einsetzt. „Das Elternrecht dominiert aufgrund der Gesetzeslage die Belange und Interessen der Kinder. Junge Menschen brauchen daher endlich eine eigene rechtliche Absicherung in der Verfassung“, so Lambertz weiter.
Nicht zuletzt aber wären Kinderrechte nach dem Eingang ins Grundgesetz in höchster Instanz einklagbar. Und das ist notwendig, denn in vielen Bereichen werden die Kinderrechte auch in Deutschland noch immer verletzt: Besonders deutlich wird dies im Bildungsbereich. Denn hierzulande besteht immer noch ein starker Zusammenhang zwischen sozialer Ausgangssituation und Bildungserfolg eines Kindes, wie zahlreiche Studien belegen. Be- sonders sozial benachteiligte Kinder werden so um faire Verwirklichungschancen gebracht. Auch Armut beeinträchtigt die Teilhabe- und Entwicklungschancen junger Menschen erheblich. Die Kinderarmut stagniert in Deutschland seit Jahren auf einem hohen Niveau: Laut neuester Studien sind rund 20 Prozent aller unter 18-jährigen in Deutschland arm oder armutsgefährdet. So werden junge Menschen in Deutschland um ihre Rechte auf gesellschaftliche Teilhabe, Gesundheit und Bildung gebracht.
Der SOS-Kinderdorfverein betrachtet die Kinderrechtskonvention als elementare Wertebasis seiner Arbeit mit Kindern. Es ist eines seiner Kernanliegen, die Rechte von jungen Menschen auf Schutz, Förderung und Beteiligung umfassend zu stärken. SOS-Kinderdorf unterstützt Kinder und Jugendliche dabei, ihre Rechte zu erlangen und wahrzunehmen. Denn das Wissen um die eigenen Rechte sowie eine konsequente Beteiligung von Kindern und Jugendlichen bei allen sie betreffenden Angelegenheiten ist ein wichtiger Baustein für die Entwicklung zu selbstbestimmten und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten. Alle SOS-Kinderdorf-Einrichtungen haben daher altersgerechte Beteiligungsmöglichkeiten etabliert und setzen sie sich dafür ein, den Kinderrechten Gehör zu verschaffen.