Angestoßen durch die Debatte um die Heimerziehung der 50er bis 70er Jahre und die Ergebnisse des „Runden Tisches Heimerziehung“ 2010 beauftragte der Vorstand des SOS-Kinderdorf e.V. das Sozialpädagogische Institut des Vereins (SPI) selbsttätig damit, eine Erhebung zur Frage durchzuführen, ob auch ehemaligen Betreuten des SOS-Kinderdorf e.V. während ihrer Zeit der Unterbringung Unrecht widerfahren ist.
Mit einem schriftlichen Statement des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Prof. Dr. Johannes Münder hat der SOS-Kinderdorf e.V. zu Unrechtsfällen in der Vergangenheit und der Haltung des Trägers klar Stellung bezogen:
Kinderschutz und Unrechtshandlungen im SOS-Kinderdorf e.V.
„Die Gründung des SOS-Kinderdorf e.V. im Jahr 1955 mit dem Prinzip der kontinuierlichen Beziehungsperson (Kinderdorfmutter) und dem Aufwachsen in einem familiären Betreuungsumfeld verstand sich als Gegenbewegung zur damaligen Anstaltserziehung.
Prof. Dr. Johannes Münder, ehemaliger Vorstandsvorsitzender von SOS-Kinderdorf.
© SOS-Kinderdorf e.V. / Foto: Mika Volkmann
Eine unabdingbare Voraussetzung für das gelingende Aufwachsen von Kindern, Jugendlichen und betreuten Menschen mit Behinderungen außerhalb ihrer Familie oder ihres Herkunftssystems in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe ist der Schutz vor Unrechtshandlungen – z.B. Gewalt und Missbrauch – durch Erwachsene in jedweder Form.
Angestoßen durch die Debatte um die Heimerziehung der 50er bis 70er Jahre und die Ergebnisse des Runden Tisches Heimerziehung 2010 beauftragte der Vorstand des SOS-Kinderdorf e.V. das Sozialpädagogische Institut des Vereins (SPI) damit, eine Erhebung durchzuführen zur Frage, ob auch ehemaligen Betreuten des SOS-Kinderdorf e.V. während ihrer Zeit der Unterbringung Unrecht widerfahren ist.
Die Ergebnisse sowie diesbezügliche Kontaktaufnahmen haben gezeigt, dass es auch in Einrichtungen des SOS-Kinderdorf e.V. zu Gewalt und in Einzelfällen zu Missbrauchshandlungen gekommen ist.
Der SOS-Kinderdorf e.V. bekennt sich zu seiner Verantwortung für diese Unrechtshandlungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber Betreuten. Wir entschuldigen uns bei den Betroffenen für das Leid, das ihnen zugefügt wurde. Wir können erlittenes Unrecht nicht ungeschehen machen, haben aber aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt, um künftiges Unrecht wenn irgend möglich zu verhindern.
Ehemaligen Betreuten, die in einer SOS-Einrichtung Gewalt oder Missbrauch erfahren haben, bieten wir Unterstützung bei der Aufarbeitung dieser Erfahrungen an. Dazu stehen zwei erfahrene Fachkräfte als direkte Ansprechpersonen für Betroffene zur Verfügung.
Schon lange vor der Debatte über Gewalt und Missbrauchsfälle in der Heimerziehung hat der SOS-Kinderdorf e.V. vielfältige Maßnahmen zum Schutz von Betreuten in seinen Einrichtungen initiiert und umgesetzt. Wichtig ist uns dabei die Erkenntnis, dass das Setzen von Standards und Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen allein nicht genügt. Vielmehr wird zusätzlich eine Kultur der Aufmerksamkeit, des Vertrauens und ein Bewusstsein insbesondere der pädagogischen Fachkräfte für eigene und die Grenzen anderer intensiv gefördert und in Schulungen kontinuierlich aktualisiert.
Ausgehend von der Erkenntnis, dass pädagogisches Handeln niemals gänzlich fehlerfrei sein kann und die Machtposition der Erwachsenen gegenüber den Kindern und Jugendlichen nicht umkehrbar ist, arbeitet der SOS Kinderdorf e.V. permanent daran, die Voraussetzungen für eine geschützte, emotional positive und wertschätzende Handlungsebene zwischen Betreuern und Betreuten zu erhalten und zu verbessern.“
Gez. Prof. Dr. Johannes Münder, Vorstandsvorsitzender, 2010