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Krieg in der Ukraine

Studierende flüchten vor Krieg in der Ukraine

Samuel, Eronmonse und Eseohe haben wissbegierig ihre Heimat Nigeria verlassen, um an der Universität von Charkiw in der Ukraine zu studieren. Samuel studiert im vierten Jahr Luft- und Raumfahrttechnik, Eronmonse im ersten Jahr und Eseohe im ersten Jahr Medizin. Die Universität in Charkiw ist renommiert für diese Studiengänge, die in Nigeria nicht so einfach zu finden sind.
Ihr Leben wurden nun skrupellos durch den Krieg Russlands in der Ukraine in Gefahr gebracht. Sie erzählen von ihrem Überleben, ihren Gefühlen und Erfahrungen und ihren unerschütterlichen Plänen weiterzumachen. 

Als der Krieg begann …

„Am 24. Februar um 5 Uhr morgens rief mich ein Freund an", erzählt der 23-jährige Samuel. „Er sagte, es habe Explosionen gegeben. Ich schaute nach draußen und sah Rauch aufsteigen. Ich sah, wie Raketen in nahegelegene Gebäuden einschlugen. Ich geriet in Panik. Ich rief meinen Freund zurück und sagte, dass wir unbedingt Vorräte beschaffen müssen.
Samuel und sein Freund machten sich auf die Suche nach einem geöffneten Supermarkt. Vor den Supermärkten reihten sich bereits Menschen in lange Schlangen ein, um Vorräte anzulegen. „Die meisten Geschäfte waren praktisch leer gekauft“, sagt Samuel. „Wir schafften es, ein paar Dinge zu kaufen, holten Wasser aus einer Apotheke und gingen zurück zum Wohnheim. Wir luden gerade unsere Handys auf, als man uns sagte, dass wir in den Keller gehen sollten. Dort blieben wir eine Woche. Am ersten Tag hatten wir nur Stühle. Später stellten sie uns Betten zur Verfügung. Im Keller war es sehr eng.“
 
Dort traf Samuel auf die Geschwister Eronmonse, 20, und Eseohe, 18. Die beiden hätten nicht erwartet, dass dieser Donnerstag, der 24. Februar, anders sein würde als die anderen Tage. „Ich bin am Mittwoch sehr lange wach geblieben, weil ich noch lange gelernt hatte“, erklärt Eronmonse. Die ersten Explosionen weckten ihn auf, aber er dachte sich nicht viel dabei. „Ich dachte, ich muss schlafen, weil ich später Schule habe.“ Ein Freund von Eronmonse rannte in seinen Schlafsaal und sagte ihm, er solle packen, was er könne und in den Keller mitkommen. 

Kampf ums Überleben

Wie viele andere Studenten gingen die drei gelegentlich auf ihre Zimmer, um Essen zu kochen, ihre Handys aufzuladen oder ihre Eltern anzurufen, da es in den Kellern weder Strom noch Handyempfang gab. 
Eronmonse erzählt, dass er einmal in sein Zimmer ging, um Reis zu kochen. „Mein Zimmer lag im zweiten Stock. Ich hatte die Flugzeuge nicht gesehen. Ich drehte mich kurz um, um das Salz zu holen. Als ich aus dem Fenster schaute, sah ich einen Kampfjet schießen. Schnell schnappte ich mir meinen halbgekochten Reis und rannte in den Keller. Ich habe ihn dann so gegessen, halbgekocht.“
„Wir sahen schwere Waffen und Panzer auf den Straßen. Es war sehr riskant, nach draußen zu gehen, aber wir mussten. Einmal gab es nur in einem anderen Gebäude Strom. Also gingen wir dorthin, um unsere Handys aufzuladen. Ein Freund wollte sein Handy unbedingt voll aufladen. Wir wollten alle zurück in den Keller gehen, aber er bestand darauf, zu bleiben. Als er zurückkam, flogen zwei Raketen über seinen Kopf. Das hat ihn umgestimmt", sagt Samuel lachend und wechselt dann zu einem düsteren Ton: „Zwei Studenten aus Indien wurden getötet. Einer, als er versuchte, Essen zu besorgen, und der andere auf dem Freiheitsplatz."
„Man gewöhnt sich an die Geräusche von Raketen und Schüssen“, fügt er hinzu. „Sie verraten dir, wie weit die Explosionen entfernt sind. Sie schossen immer gegen 5 bis 6 Uhr morgens, wenn die Ausgangssperre endete. So viele Menschen starben ..."

Flucht nach Rumänien

„Überall um uns herum waren Ruinen und Trümmer. Man spürte jede Explosion. Es ist, als ob ich es immer noch spüre", sagt Eseohe. Trotz der immer schlimmer werdenden Kämpfe hatte Eseohe große Hoffnungen, dass sich die Lage wieder bessert. „Aber es wurde nicht besser, sondern immer schlimmer", sagt sie. „Uns gingen die Lebensmittel aus, der Strom fiel aus. Eine Explosion durchtrennte unsere Straße.“
Am 4. März beschlossen Samuel, Eronmonse, Eseohe und acht weitere Studierende sich auf die Flucht zu begeben. Ursprünglich wollten sie mit dem Taxi zum Bahnhof fahren, doch dieses konnte wegen einer Straßensperrung nicht kommen. Daher organisierte das Wohnheim für den nächsten Tag einen Transport zum Bahnhof. Eseohe erinnert sich an die chaotischen Zustände: „Der Bahnhof war überfüllt. Alle Menschen waren in Panik. Die Schlangen waren riesig. Die Menschen rannten, hielten ihre Kinder fest, stolperten. Es war sehr schlimm. Am Eingang riefen die Wachen 'nur Frauen und Kinder'. So konnte ich in einen früheren Zug als mein Bruder und Samuel einsteigen. Ich hatte keine Angst, aber ich fühlte mich sehr einsam.“ Eronmonse und Samuel riefen Freunde an, die schon in Lwiw waren und Eseohe bis zu ihrer Ankunft helfen konnten. 
Samuel, Eronmonse und Eseohe erreichten am 4. März Rumänien. Dort kamen sie schnell im SOS-Kinderdorf Cisnădie unter. „Unser Vater arbeitet für SOS-Kinderdorf als regionaler Programmentwicklungsberater für Jugendförderung in der Region östliches und südliches Afrika“, sagt Eronmonse. „Im SOS-Kinderdorf Cisnădie habe zum ersten Mal wieder richtig geschlafen“, erzählt Samuel. „Alle sind nett und freundlich. Das lässt uns wirklich entspannen.“

In die Zukunft blicken

Dennoch verschwinden die traumatischen Erlebnisse nicht einfach, sobald man in Sicherheit ist, erklärt Eronmonse. Die Eltern von Eronmonse und Eseohe rieten den dreien daher, sich psychologische Hilfe zu holen. „Das hat mir wirklich geholfen", sagt Eronmonse. Eseohe sagt, sie habe noch einen langen Weg vor sich: „Mir geht es jetzt besser, aber ich bin noch nicht völlig gesund.“
Die drei wollen nun ihre Ausbildung fortsetzen. Sie haben immer noch Hoffnung nach Charkiw zurückkehren zu können, sobald es die Sicherheitslage zulässt. Vorerst setzen sie ihr Studium aber online fort. Eronmonse und Eseohe sagen, die COVID-19-Pandemie habe sie an die Online-Schulbildung gewöhnt. „Die meisten meiner Lehrer sind Frauen. Sie sind im Ausland und haben den Online-Unterricht wieder aufgenommen", erklärt Eseohe. 
„Das Wichtigste ist, dass wir in Sicherheit sind und es uns gut geht", sagt Eronmonse. „Die Solidarität und Großzügigkeit der rumänischen Bevölkerung und der Menschen hier im SOS-Kinderdorf haben uns wirklich geholfen – sie haben uns Mut gemacht."

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