Hero Image
Flucht vor dem Krieg

Sicher in Browary

Valentyna (44) drückt ihre vier Kinder an sich und sagt: „Ich kann unser Glück, hier im SOS-Kinderdorf in Browary zu sein, immer noch nicht fassen.“ Die Familie hat SOS-Kinderdorf auf der Flucht kennengelernt und lebt dort seit letztem Herbst, in der Nähe von Kiew. „Es geht uns jetzt sehr gut. Zu Hause ist es warm, wir haben zu essen und die Leute von SOS-Kinderdorf fragen uns immer, wenn sie uns sehen, ob wir etwas brauchen. Noch nie hatten wir so viel Hilfe.“
    
Im Alter von 29 Jahren wurde Valentyna Pflegemutter für einen kleinen Jungen. Seitdem hat sie neun Kinder großgezogen. Ihr leiblicher Sohn und vier Pflegekinder sind heute selbstständige Erwachsene. Die anderen vier Pflegekinder im Alter von fünf, acht, zehn und zwölf Jahren leben noch bei ihr. 

Mutter aus Berufung

„Ich habe eine der wundervollsten Berufungen der Welt – ich bin Mutter von Kindern, die eine Familie brauchen“, sagt Valentyna. „Ich liebe sie so sehr!“ Die fünf lebten in einem kleinen Dorf in der Region Cherson. Dort kümmerte sich Valentyna um ihren Haushalt, ihren Gemüsegarten, ihre Tiere, ihr Geflügel und die älteren Menschen im Dorf.
Als der Krieg begann, flohen einige ihrer erwachsenen Kinder mit ihren Familien in die Nähe von Odessa. Valentyna entschied, mit den minderjährigen Kindern in der Region Cherson zu bleiben, die lange Zeit besetzt war. „Ich bin in meinem Dorf geboren und habe mein ganzes Leben dort verbracht“, sagt sie. Doch jeden Tag wurde es schlimmer. Panzer fuhren umher, Flugzeuge flogen am Himmel. Die Kinder waren verängstigt. Nachts quetschten sie sich alle in Valentynas Bett. Im Herbst 2022 entschied sie, dass es Zeit war zu gehen.

Auf der Flucht

Im Internet suchte Valentyna nach Fluchtmöglichkeiten. Sie fand eine Organisation, die speziel Frauen mit Kindern evakuierte, und die Familie verließ ihr Dorf am nächsten Tag. Mit dem Bus fuhren sie nach Saporischschja. „Die erste Nacht schliefen wir auf dem Boden des Busses, weil die russischen Soldaten uns nicht durchlassen wollten“, so Valentyna. „Ich erinnere mich, dass ich die letzte in der Schlange am Kontrollpunkt war. Der Soldat ließ seine ganze Wut an mir aus. Er fluchte und beschimpfte mich, weil ich so viele Kinder dabei hatte. Ich habe es ertragen. Ich habe geschwiegen und gehofft, dass er die Dokumente der Kinder nicht überprüft und herausfindet, dass ich nicht ihre leibliche Mutter bin.“

Wohin gehen?

Am nächsten Tag kamen sie in Saporischschja an. Sie verbrachten die Nacht in einem Kindergarten und schliefen auf Matratzen auf dem Boden. „Als man uns das Essen brachte, fragte man uns, ob wir eine Bleibe hätten“, erzählt Valentyna. „Das hatten wir nicht. Wohin sollten wir gehen?“
Die Freiwilligen setzten die Familie in einen kostenlosen Bus nach Kiew. Mitten in der Nacht kamen sie dort an. „Niemand wartete auf uns”, so die 44-Jährige. „Wir verbrachten die restliche Nacht am Bahnhof auf unseren Handtüchern auf dem Boden. Ich konnte nicht schlafen. Bald fing es an zu regnen. Die Kinder bekamen Angst.“

SOS-Kinderdorf hilft

Valentyna wusste nicht, was sie tun sollte, also ging sie wieder ins Internet. Dort kam sie in einem Chat in Kontakt mit einer Mitarbeiterin von SOS-Kinderdorf. Kurz darauf kam ein Fahrer und brachte sie und die Kinder ins SOS-Kinderdorf in Browary. „Ich dachte, es wäre nur für ein oder zwei Nächte.“ Doch die meisten Kinderdorfkinder aus Browary leben zur Vorsicht in SOS-Einrichtungen in Polen, bis der Krieg vorbei ist, und Valentyna und ihre Kinder konnten bleiben.
„Ich kann es nicht wirklich glauben”, schwärmt Valentyna. „Wir leben in einem warmen und gemütlichen Haus. Die Kinder gehen zur Schule und in den Kindergarten. Sie nehmen an allen möglichen außerschulischen Aktivitäten teil, wie Lego bauen und malen. Eine Sprachtherapeutin arbeitet mit meiner fünfjährigen Tochter, die Probleme beim Sprechen hat.“

Gutes kommt zurück

Die anderen Kinder werden von einem Psychologen betreut und erhalten Nachhilfe in ukrainischer Sprache und Mathematik. Sie haben viel Unterricht verpasst, denn erst war die Schule wegen der Coronapandemie und dann wegen des Kriegs geschlossen. „Ich frage die Leute hier immer wieder, ob es wahr ist. Sie sagen mir, ich solle es glauben. Und manchmal denke ich, dass alles Gute, das man tut, wieder zu einem zurückkommt.“
Valentyna hält regelmäßig Kontakt zu ihren erwachsenen Kindern in Cherson und Odessa. „Ich bin auch Großmutter“, fügt sie unter Tränen hinzu und sagt, sie sehne sich nach ihrem Zuhause. „Sobald unser Dorf befreit ist und wir grünes Licht bekommen, werden wir zurückkehren.“ Doch bis es soweit ist, ist die Familie im SOS-Kinderdorf Browary in Sicherheit.
 

Mehr zu SOS-Kinderdorf in der Ukraine