Punam Thapa, 23, ist eine Care Leaverin aus Nepal und Mitglied der International Youth Coalition. Sie hat kürzlich ihren Abschluss an der Tribhuvan University in Kathmandu gemacht und arbeitet jetzt als Ärztin. Im Interview spricht Punam über die Situation von Frauen in Nepal und die Auswirkungen der Ungleichbehandlung auf die psychische Gesundheit von Mädchen.
Wie wird der Frauentag in Nepal gefeiert?
Viele Organisationen motivieren und inspirieren Frauen dazu mit verschiedenen Programmen ihre Erfolge zu feiern. Frauen nutzen diese Gelegenheit, um gegen die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern zu protestieren. Daher spielt in einem Land wie Nepal der Weltfrauentag eine wichtige Rolle. Frauen können an diesem Tag die Dinge sagen, die normalerweise von der Gesellschaft unterdrückt oder verdrängt werden.
Was bedeutet der Weltfrauentag für dich?
Es ist gut, Frauen zu feiern und zu ermutigen, ihre Ziele zu verfolgen. Aber die Tatsache, dass wir einen Weltfrauentag brauchen, zeigt auch, dass Frauen in dieser patriarchalischen Welt immer noch unterdrückt werden. Wir feiern keinen Männertag, oder? Warum brauchen wir diesen Tag, um für die Rechte zu kämpfen, die uns selbstverständlich zustehen sollten? Klar ist, dass Frauen immer noch als minderwertig angesehen werden. Menschen halten Reden über Gleichberechtigung, aber wenn es ein weibliches Opfer gibt, ergreift niemand Stellung.
Als Frau muss man viel akzeptieren, aber wenn man einmal anfängt, über Probleme nachzudenken, fällt auf, wie viele es gibt. Obwohl ich in meiner Familie unabhängig aufgewachsen bin, fühle ich mich aufgrund der gesellschaftlichen Standards immer noch manchmal minderwertig. Ich habe Angst, wenn ich nachts alleine unterwegs bin. Ich kann Probleme ansprechen, aber in Nepal – vor allem in ländlichen Regionen, gibt es viele Frauen, die unterdrückt werden.
Am 8. März denke ich an die Frauen, die mein Leben geprägt haben. Meine leibliche Mutter, die nicht mehr bei mir ist, und meine SOS-Kinderdorfmutter sind sie die wichtigsten Frauen in meinem Leben. Aber ich denke auch an meine fünf Schwester, die in schwierigen Verhältnissen aufgewachsen sind und jeden Tag hart arbeiten. Wenn ich meine Schwestern besuche, sehe ich, wie belastbar Frauen sind. Sie sind die wahre Stärke unseres Landes.
Was sind derzeit die größten Herausforderungen für Frauen in Nepal?
Geschlechterungleichheit ist ein großes Problem. Auf der Kinderstation, auf der ich derzeit arbeite, hatten wir kürzlich eine sehr schwierige Geburt. Die Eltern sagten uns, das Baby sei ein Junge und wir müssten ihn um jeden Preis überleben lassen. Wir wussten, dass sie das nicht sagen würden, wenn es ein Mädchen wäre. Es gibt viele illegale Abtreibungen von weiblichen Föten. Ich werde sehr emotional, wenn ich daran denke, wie Diskriminierung schon da beginnt.
Frauen in Nepal sind Gewalt, Kinderheirat und Menschenhandel ausgesetzt. Aber auch das Mitgiftsystem ist so eine Sache. In der hinduistischen Tradition muss eine Frau nach der Heirat in das Haus ihres Mannes ziehen und viel Geld mitbringen. Frauen, die sich keine Mitgift leisten konnten, werden oft von den Familien der Männer verletzt oder sogar ermordet. Es gibt immer noch Fälle, in denen Frauen wegen Vorwürfen der Hexerei geschlagen werden. Familien von Vergewaltigern bezahlen oft die Familien der Opfer, um sie zum Schweigen zu bringen. Selbst ein so natürlicher Vorgang wie die Menstruation wird stigmatisiert. All diese Dinge lassen mich glauben, dass es noch sehr lange dauern wird, bis eine Frau als vollwertige Bürgerin, als Mensch betrachtet wird. Es ist ein ständiger Kampf zwischen uns Frauen und der Gesellschaft.
Was können Betreuer tun, um Mädchen beim Aufwachsen zu stärken?
Zuhören, zuhören, zuhören – ohne Urteil oder Anmaßung, in jedem Alter und jeder Phase ihres Lebens, sei es während der Menstruation, für eine Karriereberatung, wenn sie über ihren Freund sprechen möchte oder sie ungewollt schwanger wird. Ihr zuzuhören ist eine Sache, die die Hälfte der Probleme lösen wird. So war es zumindest bei meinem Bruder und mir. Wir sind zusammen ins SOS-Kinderdorf in Surkhet gekommen und waren glücklicherweise in derselben Kinderdorffamilie. Er hat mich angetrieben und mich nie im Stich gelassen. Ich habe sehr viel Glück. Da draußen Menschen, die buchstäblich niemanden haben, mit dem sie reden können.
Ich glaube nicht an große Lösungen für Probleme wie die Ungleichheit zwischen Mann und Frau. Es sind die kleinen Dinge, die einen großen Unterschied machen werden. Die Lösung ist eigentlich gar nicht so schwer – man muss nur bei seiner Schwester, Tochter, Mutter oder Ehefrau anfangen.