Wenn Noemy aus Bolivien von ihrem Alltag erzählt, könnte man fast glauben, ein Tag hätte für die 31-Jährige mehr als 24 Stunden. Denn Noemy ist nicht nur Mutter von drei Kindern, zusätzlich hat sie ein eigenes kleines Geschäft und macht eine Ausbildung. Dank Noemys harter Arbeit ist es deshalb auch nicht verwunderlich, wie schnell sie es geschafft hat, ihr Leben von Grund auf zu ändern.
Noch vor wenigen Jahren lebte die damals noch zweifache Mutter mit ihren Kindern bei ihrem Vater, nachdem ihr Partner sie verlassen hatte. Doch ihrem eigenen Vater waren sie und ihre Kinder lästig. Er tyrannisierte die kleine Familie tagtäglich. Aber Noemy konnte es sich nicht leisten auszuziehen, da sie nie die Schule abgeschlossen hatte. „Ich war so frustriert und empfand sogar meine Kinder als Bürde“, sagt Noemy. Doch dann erfuhr sie vom Familienstärkungsprogramm des nahegelegene SOS-Kinderdorfs.
Noemys großer Traum
Mithilfe des Programms erkämpfte sich Noemy Schritt für Schritt ein neues Leben, holte ihren Schulabschluss nach, zog bei ihrem Vater aus und lernte schließlich ihren heutigen Ehemann kennen. Die beiden bekamen noch ein Kind und Noemy unterstützte die Familie mit dem Verkauf von südamerikanischen Spezialitäten, sogenannten Empanadas. Ein Geschäft, das sie sich mit der Hilfe von SOS-Kinderdorf aufgebaut hatte. Doch ihr großer Traum ist ein anderer: Noemy möchte Erzieherin werden. Die Ausbildung macht sie abends, wenn die Empanadas verkauft und die Kinder im Bett sind.
Noemy weiß, dass sie viel Glück gehabt hat. Denn in Bolivien, einem der ärmsten Länder Lateinamerikas, haben vor allem Frauen oft zu kämpfen. Sie sind häufig schlechter ausgebildet, verdienen weniger und leben gefährlicher. Bei einer Befragung gab über ein Viertel der befragten bolivianischen Frauen an, in den vergangenen zwölf Monate Gewalt erlebt zu haben. Oftmals geht diese vom Partner oder von Familienangehörigen aus, wie in Noemys Fall.
Noemy wollte ihr Glück unbedingt teilen und begann sich in einem Nachbarschaftsnetzwerk für Frauen und Kinder in Not zu engagieren, das von SOS-Kinderdorf unterstützt wird. "Ich verstehe, was diese Frauen durchmachen und hoffe, dass unser Netzwerk ihnen einen Ausweg bieten kann", sagt Noemy.
Neue Hürden durch die Pandemie
Doch dann erreicht die Corona-Pandemie Bolivien und seitdem musste auch die umtriebige 31-Jährige wieder Rückschläge einstecken. Der Verkauf ihrer Empanadas wurde durch die Schutzmaßnahmen stark eingeschränkt. Um Geld zu sparen, sind Noemy und ihre Familie mit ihrem Bruder gezogen. Noemy hilft ihm jetzt oft an seinem Marktstand.
Und auch die Schulen in Bolivien wurden immer wieder geschlossen. Online-Unterricht gibt es für Noemys Kinder derzeit nicht. Doch Noemy und ihr Mann geben trotzdem ihr bestes, um die Kinder bei Laune zu halten „Wir versuchen die Kinder zu motivieren. Wir bringen sie zum Lesen und organisieren Aktivitäten“, erzählt sie.
Und trotz allem hat Noemy auch ihre eigenen Zukunftspläne nicht aus den Augen verloren. Ihre Ausbildung setzt sie nun so gut wie möglich von zu Hause aus fort. „Alles ist online und ich muss ständig Guthaben für Internet und Telefon kaufen. Auch ist es eine Herausforderung neben der Arbeit und den Kindern Zeit zu finden, aber ich schaffe es. Ich will meinen Traum trotz der Krise weiter verfolgen“, sagt sie und wenn man von Noemys Stärke weiß, dann glaubt man ihr das sofort.