SOS-Kinderdorf begann Mitte der 1970-er Jahre seine Tätigkeit im Sudan mit der Eröffnung des SOS-Kinderdorfes in der Hauptstadt Khartum. Die bewaffneten Konflikte der vergangenen fünf Jahrzehnte, bei denen 1,5 Millionen Menschen ihr Leben verloren, die angespannte politische Situation, wirtschaftliche Veränderungen und wiederholte Naturkatastrophen haben verheerende Auswirkungen auf das Leben der Menschen im Sudan. Neben den langfristigen Programmen zur Unterstützung von Familien und Kindern bieten wir bei Bedarf auch Nothilfeprogramme, um den Opfern von Kriegen und Naturkatastrophen zu helfen.
Der lange Weg zurück ins Leben
„Ich komme aus Tawila. Eines Tages kamen Soldaten und überfielen unser Dorf.“ Stockend erzählt Hassan seine Geschichte. Er schaut einen beim Sprechen nicht an, blickt zu Boden. Sein Gesichtsausdruck wechselt zwischen Schmerz und Trauer. Seine Stimme ist leise, ein kaum hörbares Murmeln. Seine Eltern wurden vor seinen Augen erschossen. Ein Nachbar nahm sich des Jungen an und flüchtete mit ihm. „Wir ritten tagelang auf Eseln. Ich weiß nicht, wie lange wir unterwegs waren. Als wir in Al Fashir ankamen, schliefen wir mehrere Tage unter freiem Himmel in einem Park. Eines Morgens erzählten Leute uns vom SOS-Nothilfecamp in Darfur und brachten uns dorthin.“ Hassan weiß nicht mehr, wer sie dort hinbrachte oder warum die Leute ihm halfen und Zuflucht und Essen gaben. Seine Erinnerungen bestehen lediglich aus Bruchstücken. Im SOS-Nothilfecamp wurde bald die Entscheidung getroffen, den Jungen in das SOS-Kinderdorf in Khartum aufzunehmen, da der Nachbar sich nicht in der Lage sah, sich um ihn zu kümmern.
Monatelang litt Hassan unter Albträumen und massiven Ängsten. Er zeigte deutliche Anzeichen einer posttraumatischen Störung. Schnell beschloss seine SOS-Mutter in Zusammenarbeit mit den Psychologen des Dorfes, dass er einer Therapie zugeführt werden musste. „Das erste, was wir mit den Kindern machen, ist, ihnen Papier und Stifte zu geben und bitten sie, ein Bild zu malen“, erklärt uns Psychologin Rasha. „Die meisten Kinder verstehen nicht, was mit ihnen los ist und können sich nicht durch Sprache ausdrücken. Hinterher stellen wir ihnen Fragen zu ihrem Bild und auf diese Weise bringen wir sie dazu, ihre Geschichte zu erzählen.“
Durch konstante und liebevolle Zuwendung schaffte sie es in den Therapiesitzungen Hassan zum Reden zu bringen. Oft brach er beim Erzählen in Tränen aus, litt zu Beginn der Sitzungen regelmäßig unter starken Kopfschmerzen. Aber Stück für Stück nahm die Häufigkeit der Kopfschmerzen ab, bis sie schließlich ganz aufhörten.
Heute besucht Hassan die fünfte Klasse. Natürlich wird er noch lange Zeit brauchen, seine schrecklichen Erfahrungen zu verarbeiten. SOS-Kinderdorf wird ihn durch diesen Prozess begleiten und solange an seiner Seite bleiben, bis er in der Lage ist, ein glückliches und normales Leben zu führen.