Gleichzeitig beide Eltern zu verlieren, ist für Kinder eines der schlimmsten Erlebnisse. Die 6-jährige Alphia und ihr kleiner Bruder Morgan kamen 2015 ins SOS-Kinderdorf nach Liberia, nachdem beide Eltern an Ebola gestorben waren. „Wir freuten uns auf Alphia und Morgan“, erinnert sich Waletor. „Aber mir fiel schnell auf, dass es Alphia nicht gut ging. Sie war stets traurig, wie traumatisiert, antwortete nicht. Sie war fixiert auf ihren kleinen Bruder Morgan, wollte ihn keine Sekunde alleine lassen und führte ständig stumme Gespräche mit ihm. Sie wirkte so müde und schwach, weil sie so unendlich viel Kummer und Leid erfahren hatte. Alphia war an einem dunklen Ort gefangen und ich musste sie da raus holen“.
Anfangs verweigerte Alphia jeglichen Kontakt, wollte ständig alleine sein. Sie aß nicht, trank kaum. Ein Psychologe im SOS-Kinderdorf half Alphia schließlich, ihre Trauer und ihren Schmerz zu bewältigen und unterstützte Waletor dabei, zu verstehen, was in dem Mädchen vor sich ging.
„Ich musste ihr Vertrauen gewinnen und ihr Freund werden“, erinnert sich Waletor. „Jeden Tag unterhielt ich mich mit ihr. Am Anfang waren es Monologe. Als das nicht funktionierte, begann ich, allen Kindern Geschichten zu erzählen, ohne spezifisch auf Alphia einzugehen. Nach einer Weile bemerkte ich, wie Alphia anfing zu lächeln.“ Im Laufe der Zeit gelang es Waletor Alphias Vertrauen für sich zu gewinnen und sie in die Familie zu integrieren. Ihre Mühen fruchteten: „Eines Tages kam Alphia völlig unverhofft auf mich zu und meinte, sie wolle mir eine Geschichte erzählen. Es war das erste Mal nach drei Monaten, dass ich sie sprechen hörte. Das war ein wunderschöner Moment!“
Mittlerweile ist aus Alphia ein lebhaftes Mädchen mit einem äußerst gewinnenden Lächeln geworden. Sie macht gerne Sport und singt im Chor. Durch die sichere und liebevolle Atmosphäre in ihrer SOS-Kinderdorffamilie konnte sie die Gespenster der Vergangenheit hinter sich lassen und einfach wieder Kind sein.