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Dikwenas Gaboseke über die Auswirkungen der Pandemie

Um die Ausbreitung von COVID-19 einzudämmen, wurden auch in Botswana Ausgangsbeschränkungen verhängt. Als Folge können Dikwena Gaboseke, Koordinator des SOS-Familienstärkungsprogramms, und sein Team die Familien, die sie betreuen, nur telefonisch unterstützen. Pro Tag sind es etwa 20 Familien. Gaboseke berichtet, von großer Sorge und Angst bei den betroffenen Familien.
Wie hat sich der Ausbruch von COVID-19 auf die Familien im Familienstärkungsprogramm in Francistown ausgewirkt?
Die Familien, die wir unterstützen, sind zur Versorgung ihrer Kinder hauptsächlich auf die Landwirtschaft angewiesen. Das Problem ist, dass das Ackerland, das sie bewirtschaften, etwa 20 Kilometer von ihrem Wohnort entfernt sind. Durch die Abriegelung in Botswana kommen sie nun nicht mehr dorthin. Und die wenigen, die als Tageslöhner wenigstens ein bisschen Geld verdienten, haben aktuell keinerlei Einkommen zur Versorgung ihrer Familien.
Erschwerend kommt hinzu, dass das von der Regierung finanzierte Schulspeisungsprogramm in Grundschulen eingestellt wurde, weil alle Schulen wegen des Virus geschlossen wurden. Im Rahmen dieses Programms bekamen die Kinder in der Schule Frühstück und Mittagessen, was für viele Eltern eine große Erleichterung war. Einige der Familien haben bis zu 19 Kinder - wobei ein Mann zwei bis drei Frauen hat. Solche Familien profitieren wirklich von den Schulmahlzeiten. Jetzt sind die Kinder zu Hause, wo es kein Essen gibt und die Familien verzweifelt um Hilfe bitten.
Waisenkinder, die meist von ihren Verwandten versorgt werden, erhalten jedoch weiterhin staatliche Unterstützung. Diese besteht aus einem Lebensmittelkorb pro Kind und Monat. Vor Corona stellte dieser Korb im Wert von USD 60 eine Ergänzung zum Haushaltseinkommen dar, aber mit Ausbruch der Seuche ist er für die Familien existenziell geworden.
Wir betreuen zum Beispiel eine alleinerziehende Mutter mit fünf Kindern.  Die Mutter arbeitet in der Landwirtschaft. Eines der Kinder, für die sie sorgt, ist Waise, so dass sie einmal im Monat von der Regierung einen Lebensmittelkorb erhält, auf den nun die ganze Familie angewiesen ist. Zwei ihrer Kinder, ein Junge, 14 Jahre alt, und ein Mädchen, 11 Jahre alt, leiden an einer psychischen Erkrankung. Als die Dinge noch normal waren, besuchten die beiden Kinder eine Förderschule. Aber jetzt sind sie zu Hause und voll auf sie angewiesen. In dieser Familie lebt auch ein junger Mensch, der eigentlich eine Berufsausbildung beginnen sollte, aber nun warten muss. Das alles belastet die Mutter sehr. Wir versuchen sie am Telefon zu beraten, weil wir sie ja nicht besuchen können.
Wie wirkt diese alleinerziehende Mutter auf Sie, wenn Sie mit ihr sprechen?
Besorgt und ängstlich um das Überleben ihrer Kinder. Sie wiederholt immer wieder, dass ihre Familie hungert. Sie hat kein Geld, um etwas zu kaufen, und sie kann ihre kleine Farm nicht erreichen, um Lebensmittel abzuholen. Es ist sehr schwierig für sie.
Wie kommen solche Kinder und Familien mit der aktuellen Lage zurecht?
Die Regierung will sehr gefährdete Kinder und Familien in Botswana schnell identifizieren, um Hilfe zu mobilisieren. Wir werden mit den Behörden zusammenarbeiten und unsere Dienste anbieten, um bei der Beurteilung und Identifizierung von Familien in größter Not zu helfen. Wir werden auch die am stärksten gefährdeten Haushalte in unserem Programm an die Regierung verweisen, damit sie zusätzliche nachhaltige Unterstützung, insbesondere in den Bereichen Ernährung und Gesundheitsversorgung, erhalten. Diese wird den durch die Pandemie verursachten Schaden minimieren und den Familien helfen, besser damit fertig zu werden.
Wie hat sich die COVID-19-Pandemie auf Ihre Arbeit im SOS-Familienstärkungsprogramm in diesem Jahr ausgewirkt?
Unsere Angebote für Familien umfassen Unterstützung im Bildungsbereich, bei der Ausbildung von Elternkompetenzen, einkommensschaffende Aktivitäten und richtiges Wirtschaften oder Finanzmanagement.
Im vergangenen Jahr (2019) betreuten wir 160 Familien aus den vier Dörfern in Francistown in unserem Programm, was 610 Kindern entspricht. In diesem Jahr hofften wir, weitere 20 Familien (etwa 140 Kinder) aufnehmen zu können, aber das muss warten. Das bedeutet, dass sich die Situation gefährdeter Kinder erstmal nicht ändert.
Was beunruhigt Sie am meisten hinsichtlich der Familien im Familienstärkungsprogramm?
Was mir am meisten Sorgen bereitet, ist die Wohnsituation. Zuvor war sie nicht sehr beunruhigend, aber jetzt, mit dem Ausbruch, ist sie es. Fünf- bis sechsköpfige Familien leben zusammengepfercht in einem kleinen Ein-Zimmer-Haus. Selbst wenn sie alle Hygieneempfehlungen beachten, indem sie sich bspw. die Hände waschen ( wenn sie denn Wasser haben), ist es leicht, andere in diesem winzigen Raum anzustecken.
Kindesmissbrauch ist ein weiteres Problem. In Botswana nehmen Missbrauchsfälle gerade stark zu. Die Menschen sind gezwungen über lange Zeit aufeinanderzuhocken. Die meisten Eltern sind überfordert und deprimiert. Da ist sowas quasi vorprogrammiert. Wir sind hier in engem Austausch mit der Regierung, um die Kinder während der Abriegelung besser zu schützen. Meine größte Angst ist, dass all die zahlreichen Errungenschaften, die wir über viele Jahre hinweg mit den Familien erzielt haben, wieder zunichte gemacht werden und diese Familien zurück in die schreckliche Situation fallen könnten, in der sie sich vor unserer Zusammenarbeit befanden.
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