Wer in Deutschland von Wohnungs- oder Obdachlosigkeit betroffen ist, führt oftmals ein Leben unter dem Radar. Der Jugenddienst des SOS-Kinderdorfs Saarbrücken fängt Betroffene auf und unterstützt sie auf dem Weg in eine bessere Zukunft.
Jugenddienst im SOS-Kinderdorf Saarbrücken
Ein Zimmer mit Küche und Bad, dazu im besten Falle ein kleiner Balkon – so sieht die Traumwohnung der 24-jährigen Michelle aus Saarbrücken aus. Die junge Frau ist wohnungslos und sucht seit einigen Monaten intensiv nach einer Bleibe. Parallel geht sie mehrmals die Woche zur Anlaufstelle des Jugenddiensts von SOS-Kinderdorf Saarbrücken. Wohnungs- und Obdachlose sowie von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen zwischen 14 und 27 Jahren erhalten hier sozialpädagogische Unterstützung im Alltag und Beratung, die Mitarbeitenden vermitteln aber auch an andere Hilfestellen. Die Saarländerin ist froh über die Unterstützung: „Die geben dir Stabilität und ein sicheres Umfeld.“
Jeden Dienstag findet beim Jugenddienst des SOS-Kinderdorfs Saarbrücken ein offener Treff statt, bei dem die Jugendlichen ungezwungen mit den Mitarbeitenden und anderen Wohnungslosen brunchen und sprechen können.
© SOS-Kinderdorf e.V. / Frank May
Das Angebot ist in einer großen, lichtdurchfluteten Altbauwohnung im Stadtteil St. Johann untergebracht. Jeden Dienstag findet dort ein offener Treff statt. Die Jugendlichen können ungezwungen mit den Mitarbeitenden und anderen Wohnungslosen brunchen. Auch Michelle ist heute gekommen. Die 24-Jährige lebt derzeit in einer Notunterkunft in Saarbrücken. Michelle ist in schwierigen Familienverhältnissen aufgewachsen, die Beziehung zu ihrer Mutter war und ist kompliziert. „Seit ich jung bin, haben wir Konflikte. Es ist viel passiert“, erklärt Michelle. Um der belastenden Situation zu entfliehen, verbrachte Michelle schon als junges Mädchen so wenig Zeit wie möglich daheim, übernachtete oft bei Freunden, kümmerte sich aber auch um ihre kleineren Geschwister. Irgendwann fasste sie den Entschluss, dass es so nicht mehr weiter gehen kann. Michelle zog aus, um sich ein eigenes Leben aufzubauen: „Ich möchte selbstständig und unabhängig sein.“
Wohnungslosigkeit ist komplex
Die Gründe für die Wohnungslosigkeit der Jugendlichen sind vielschichtig. Suchterkrankungen, Schulden, tiefgreifende Beziehungsstörungen, Gewalterfahrungen und mangelnde Zukunftsperspektiven sind häufige Herausforderungen, denen sie sich stellen müssen. Der Jugenddienst kooperiert mit anderen sozialen Trägern und Behörden und versucht die Hilfsangebote so niederschwellig wie möglich zu gestalten. Die Drogenberatungsstelle und die Schuldnerberatung kommen alle paar Wochen direkt in die Räumlichkeiten.
Der Jugenddienst kooperiert mit anderen sozialen Trägern und Behörden. So kommen die Drogenberatungsstelle und die Schuldnerberatung alle paar Wochen direkt in die Räumlichkeiten.
© SOS-Kinderdorf e.V. / Frank May
Auch für Michelle wird das Geld am Monatsende knapp, die 24-Jährige ist derzeit arbeitslos. Zweimal hat sie das Abitur abgebrochen und auch die Ausbildung zur Krankenpflegerin machte sie nicht zu Ende. Motiviert und engagiert war Michelle immer, aber die Umstände machten es ihr schwer. Die angespannte Familiensituation belastet die junge Frau weiterhin stark. Seit sie ihr Elternhaus verlassen habe, habe sie von niemandem aus der Familie etwas gehört. Michelle ist traurig: „Es meldet sich halt einfach keiner.“ Doch Michelle bleibt bewundernswert stark und fokussiert. „Ich will das schaffen“, sagt sie. Bei Bedarf organisieren die Mitarbeiter des Jugenddiensts auch Therapien oder Entzugsprogramme für die Jugendlichen.
Ein Wohlfühlort für Betroffene
Wichtigste Ansprechpartnerin für Michelle ist ihre Betreuerin Jasmin Panter. Die pädagogische Mitarbeiterin unterstützt Michelle bei der Wohnungssuche, stellt gemeinsam mit ihr Anträge oder begleitet sie zum Amt. Den Computerraum nutzt Michelle eigenständig, um online nach Wohnungen zu suchen und auch ihre persönliche Post wird an SOS-Kinderdorf zugestellt. Die Anlaufstelle des Jugenddiensts ermöglicht es den Jugendlichen nicht nur ihr Leben wieder besser zu strukturieren, sondern ist gleichzeitig auch ein Ort, an dem sie sich mit Gleichgesinnten und den Betreuern austauschen können. Aushalten lässt es sich hier gut – dafür sorgen ein Klavier, Billardtisch, Tischkicker, eine Dartscheibe und bald auch ein kleines Tonstudio.
Michelle möchte zunächst eine Wohnung finden und sich danach langsam an die weitere Lebensgestaltung herantasten. Neben dem Jugenddienst gibt es weitere Maßnahmen für (wohnungslose) Jugendliche im SOS-Kinderdorf Saarbrücken. Dazu zählen beispielsweise Angebote zur beruflichen Orientierung, Berufsvorbereitung oder Ausbildungsqualifizierung. Jasmin Panter ist zuversichtlich, dass die junge Frau dafür genug Durchhaltevermögen mitbringt: „Sie hat einen langen Atem bewiesen. Das braucht man auch. Es wird einem nicht leicht gemacht, wenn man wohnungslos ist.“ Ein Ziel hat sich Michelle schon gesetzt: „Ich hoffe, dass ich in den alten Beruf zurückfinde. Das wäre ganz schön.“
Michelle ist wohnungslos und kommt aus schwierigen familiären Verhältnissen. Zweimal hat sie das Abitur abgebrochen. Heute sagt sie: „Ich will das schaffen. Ich hoffe, dass ich in den alten Beruf zurückfinde.“
© SOS-Kinderdorf e.V. / Frank May