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Interview mit Digital- und SEO-Experte Alexander Holl
Wie funktionieren Algorithmen?

Interview mit Digital- und SEO-Experte Alexander Holl

Das Motto des Safer Internet Day 2022 ist: „Fit für die Demokratie, stark für die Gesellschaft.“ Aber wie hängen Demokratie und Medienkompetenz zusammen? Plattformen wie Facebook und Instagram haben eine Möglichkeit eröffnet, zu verschiedenen – auch politischen – Themen in den öffentlichen Austausch zu gehen. Sie werden aber auch immer öfter für Hassrede und die Verbreitung von Fake News und Verschwörungstheorien genutzt. Daher ist die Vermittlung einer kritischen Medienkompetenz an junge Menschen essentiell für die Demokratie.
Wie beeinflussen Bots und Algorithmen, was uns in Suchmaschinen und in Social Media angezeigt wird? Gemeinsam mit dem Digital- und SEO-Experten
Alexander Holl,
Gründer und Geschäftsführer des Weiterbildungsanbieters 121watt, wollen wir uns die technischen Gegebenheiten genauer anschauen.




Grundsätzlich durch uns selbst. Eigentlich wollen alle Plattformen, ob Google, YouTube oder Instagram, die Bedürfnisse der User verstehen. Algorithmen sind hier nur mathematische Stellvertreter, um möglichst gut zu verstehen, was wir als Nutzer wollen und was unsere Bedürfnisse sind. Zwischen Suchmaschinen wie Google und Social Media gibt es aber einen wichtigen Unterschied. In sozialen Medien habe ich meistens kein konkretes Problem, sondern bin eher im Modus: „Ich lass mich mal überraschen.“ Durch Interaktionen, wie Klicks und Likes, zeigt man als Nutzer, was einen interessiert. Wenn ich eine Suchmaschine nutze, möchte ich ein Problem lösen. Dazu muss ich zwei Dinge wissen: Löst die Seite mein Problem und handelt es sich um vertrauenswürdigen Inhalt? Um diese zwei einfachen Fragen zu lösen, betreibt Google aber einen unglaublichen Aufwand.
Als erstes muss Google verstehen, was der Nutzer gemeint hat. Das klingt einfach, ist aber in Wirklichkeit relativ kompliziert. Gibt man zum Beispiel als Suchbegriff „Alphabet“ ein, dann muss die Suchmaschine interpretieren, ob der Nutzer zum Beispiel das Buchstaben-Alphabet meint oder die Dachgesellschaft von Google, die „Alphabet Inc.“ heißt. Im zweiten Schritt muss dann Google aus den Milliarden von Dokumenten selektieren, welches für den Suchbegriff am relevantesten ist. Nun kommt der dritte Aspekt: Neben der reinen Relevanz ist jetzt entscheidend, ob Google diesem Inhalt “vertrauen” kann? Hier helfen vor allem Links. Hat man also Verlinkungen von anderen vertrauenswürdigen Quellen, wird ein Inhalt von Google auch als vertrauenswürdig eingeschätzt.
Google wird immer besser darin zu erkennen, ob eine Quelle relevant und vertrauenswürdig ist. Man muss das aber meiner Meinung auch etwas differenzieren. Wenn man auf der Suche nach Informationen und Hintergründen ist, bekommt man meist sehr gute und verlässliche Webseiten präsentiert. Wenn man allerdings etwas kaufen möchte, merkt man, dass es für Google scheinbar deutlich schwerer ist zu erkennen, ob die Seite vertrauenswürdig ist oder nicht. Hier stößt man doch öfter auf Seiten, die einem nicht weiterhelfen. Woran merkt man das recht schnell? Wenn man zum Beispiel nach „Test Mountainbikes“ sucht und feststellt, dass die gesuchte Information auf der Seite vorhanden ist, aber nur einen kleinen Anteil der gesamte Webseite einnimmt. Der Rest ist Werbung und Verlinkung auf Shops, bei denen man Mountainbikes kaufen kann. Da gehen bei mir immer sofort die Alarmglocken an.
Das ist im Grunde ja schon für jeden Menschen schwer zu beurteilen. Aber hier hilft Google wiederum die Vertrauenswürdigkeit einer Seite über die externen Verlinkung einzuschätzen. Wenn eine Seite von anderen Quellen wie Zeit, Süddeutsche, etc. verlinkt wird, wird diese auch als glaubwürdig eingestuft. Andersrum kann eine Seite aber auch als nicht vertrauenswürdig heruntergestuft werden, wenn sie von zwielichtigen Seiten verlinkt wird.
Bei Google als Suchmaschine mache ich da also auch nicht so viele Sorgen. Was ich problematischer finde, ist die zweitgrößte Suchmaschine – YouTube. Denn auch diese Suchmaschine möchte vor allem, das abbilden, was den User interessiert. Wenn man sich bei YouTube ein Video anschaut, bekommt man direkt auf der rechten Seite weitere Vorschläge angezeigt. Dort wird angezeigt, was andere User auch gerne nach diesem Video noch angeklickt haben. Über diese Klicks kann der Youtube-Algorithmus dir immer wieder passende neue Youtube-Videos präsentieren. Und hier liegt die Stärke und Schwäche dieses Algorithmus. Man sieht immer mehr „passende” Videos zu den vorherigen Videos. Und plötzlich merkt man, dass man in eine sogenannte Filterblase oder Echokammer gerät. Man bekommt also irgendwann nur noch Inhalte oder Meinungen, die genau diesen Filtern (Algorithmen) entsprechen. Und diese Filter werden von den Klicks gesteuert.
Vereinfacht ja. Und hier kommt ja auch die Gefahr von Algorithmen, die auf Interaktionen von Nutzern optimieren. Plattformen, wie YouTube, Facebook, TikTok oder Instagram sprechen sehr stark unsere Emotionen an. Trotzdem sind laut einer Reuters Studie Instagram, YouTube und Twitter wichtige Plattformen für News und das gerade für junge Menschen in den Altersgruppen 18 bis 24.
Zentral für die Social Media Algorithmen sind Interaktionen der Nutzer, wie Likes, Shares, Comments, aber auch die Verweildauer auf Inhalten.
Das heißt der Erfolgsfaktor für einen Inhalt in Social Media sind Interaktionen. Allerdings ist die Substanz eines Inhalts, neben der reinen Interaktion schwer zu messen. Wichtig ist der Klick und das erreicht man eher mit überdramatischen, reißerischen, polarisierenden oder provokanten Headlines und Bildern bei Social Media.
Das Verhalten und die Interaktionen des Nutzers beeinflussen, was der Nutzer sieht. Wenn man zum Beispiel bei TikTok oder Instagram ein Video anschaut, wird schon erfasst, ob ein Video bis zum Ende geschaut wurde oder nicht. Es werden also nicht nur Like, Share, Comment erfasst. Wozu führt das am Ende? Wenn man mal bei TikTok oder Instagram mit ein paar Katzenvideos startet und hier stark interagiert, sieht man irgendwann vermehrt Katzenvideos und irgendwann denkt man, es gibt eigentlich nur noch Katzen auf dieser Welt.
Vorab müssen wir kritisch hinterfragen. In den 80er Jahren hatten wir mit der Reduktion des Medienangebotes auf ARD und ZDF einen Mangel an Auswahl, mussten uns aber über die Bewertung dieser Inhalte weniger Gedanken machen. Heute hat sich diese Beziehung genau umgedreht. Wir haben überhaupt keinen Mangel an Auswahl, aber einen Mangel an Bewertung. Wir haben so unglaublich viele hochwertige Inhalte auf YouTube oder Instagram. Und es gibt ja so viel mehr als, Beauty, Fitness und Kochen in sozialen Medien, wie Kultur, Musik und  Wissenschaft.
Also wie findet man gute Angebote? Gute Inhalte kennzeichnen sich z. B. durch die Verlinkung vertrauenswürdiger Quellen. Diese Verlinkungen findet man zum Beispiel auf YouTube in den Profilinformationen unter dem Reiter „Kanal“. Gute Kanäle schlagen oft wieder andere gute Kanäle vor. Auf Instagram kann man bei einem guten Angebot wieder sehen, welche anderen Accounts hier wiederum abonniert wurden. Gute Angebote nennen in der Beschreibung die Quellen, die sie für Ihre Videos verwendet haben. Gute Quellen haben eine aussagekräftige Kanalinfo und kommunizieren auch klar Werbung. Es geht also vor allem um Medienkompetenz, die erlernt werden muss. Es sollten sich aber auch Eltern mit YouTube beschäftigen, um die Vielfalt zu verstehen.
Das ist sicher ein sehr guter Weg über den Namen aus dem Impressum mehr zum Hintergrund der einzelnen Personen zu erfahren. Besonders interessant sind hier auch die XING oder LinkedIn Profile . Die Frage ist, ob das tatsächlich jemand machen würde, wenn man bei YouTube im Entertainment Modus ist.
Kurz beantwortet: Ja!
Und das zeigen auch Studien. Die Wahrscheinlichkeit ist höher, dass Nutzer, die News überwiegend aus Social Media beziehen, an Verschwörungstheorien glauben. Seit 2018 blendet YouTube bei einschlägigen Videos in denen es um Verschwörungstheorien geht, direkt daneben Informationen von Wikipedia ein. Ob das hilft?
Die Möglichkeiten sind hier limitiert. Man kann durch die Funktion „keine Videos von diesem Kanal empfehlen“ aber durchaus Inhalte ausblenden.
Ja natürlich. Das wird auch immer passieren. Jeder Algorithmus versucht mit einer mathematischen Wahrscheinlichkeit zu errechnen, ob ein Inhalt gut ist. Und auch als gute Seite kann man eine Reihe vermeintlich ungünstiger Faktoren haben, um bei Google als nicht vertrauenswürdig eingestuft zu werden, obwohl man eigentlich seriöse und vertrauenswürdige Inhalte hat. Das passiert bei Google aber relativ selten.
Allerdings kann man schon sagen, dass der Algorithmus bei Social Media schon fast darauf ausgelegt ist, gute und glaubwürdige Inhalte auszusortieren. Denn diese Inhalte neigen eher dazu „langweilig” zu sein und werden unter Umständen auch weniger geklickt.
Was es bereits gibt und was man nur nutzen müsste, ist beispielsweise die bereits angesprochene Funktion „kein Interesse an Inhalten“. Was aber  im Kern fehlt ist ein Social Media Vertrauensalgorithmus. Seriös vernetzte Inhalte präferiert darzustellen. Ich denke allerdings nicht, dass die Plattformen das freiwillig einführen werden. Damit würden sie ihre eigene Monetarisierung gefährden. Hier wird es wahrscheinlich Regulierungen geben müssen.
Es gehört aber auch dazu, dass wir uns als Nutzer mit der Frage beschäftigen: Warum wird mir was angezeigt? Nutzer sollten ein besseres Verständnis von Funktionen und den technischen Rahmenbedingungen haben.

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