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Digitale Medienkompetenz

Soziale Medien – was ist strafbar?

Viele Kinder und Jugendlichen werden in den sozialen Medien Opfer von Hass und Häme. Die Hemmschwelle in der virtuellen Welt ist deutlich niedriger als im realen Leben. Beleidigungen lassen sich leichter aussprechen, wenn man der Person nicht direkt gegenübersteht. Verletzend sind sie jedoch, egal ob virtuell oder real. Klar muss jedoch sein, dass auch die sozialen Medien kein rechtsfreier Raum sind.

Was ist strafbar in Social Media?

Dozent und Medienanwalt Frank Michael Höfinger erklärt, was strafbar ist und was nicht.
Frank Michael Höfinger: Ein Kind ist ab 14 Jahren ganz allgemein strafmündig, also für Straftaten belangbar. Kinder bis 18 Jahren unterliegen dem Jugendstrafrecht, das statt auf Strafe vor allem auf Erziehung setzt. Bei Heranwachsenden, d.h. zwischen dem 18. und 21. Lebensjahr kann je nach Reife des Angeklagten das Jugendstrafrecht auch noch weiter angewandt werden.
Frank Michael Höfinger: Das ist in der virtuellen Welt nicht anders als in der realen Welt. Eine beleidigende Äußerung ist also immer strafbar, wenn sie nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Beleidigung ist alles, was den anderen herabsetzt. Das kann eine Äußerung gegenüber der Person selbst als auch gegenüber Dritter sein. 
 
Frank Michael Höfinger: Mobbing ist an sich ein relativ unscharfer Begriff. Cybermobbing kann zum einen Beleidigung, Verleumdung oder üble Nachrede sein. Das wäre dann strafbar. Cybermobbing kann aber auch das Veröffentlichen von privaten oder heimlich aufgenommenen Fotos sein. Auch das kann strafbar sein. Cybermobbing an sich ist aber kein eigener Straftatbestand, sondern erfasst verschiedene Dinge, wie man anderen schadet oder sie bloßstellt. Cybermobbing kann daher im konkreten Fall unter unterschiedliche Straftatbestände fallen oder auch straflos sein.
Frank Michael Höfinger: Verleumdung bedeutet, dass bewusst falsche Tatsachen verbreitet werden. Eine üble Nachrede kann schon die bloße Behauptung einer Tatsache sein, die nicht nachweisbar wahr ist.
rank Michael Höfinger: Auch Hate Speech ist ein unscharfer Begriff. Hierunter kann wieder die Beleidigung fallen, wenn sie besonders hasserfüllt ist. Unter Hate Speech versteht man aber auch Volksverhetzung, Beleidigung von bestimmten Bevölkerungsgruppen, Leugnung des Holocaust, extremistische Äußerungen. Kurz gesagt: Alles, was politisch oder rassistisch motiviert ist. Wenn dies im öffentlichen Raum geschieht und den öffentlichen Frieden gefährdet, dann ist das in der Regel strafbar. Die Grenze, ab wann etwas öffentlich ist, ist fließend. Öffentlich ist auch ein Chatroom mit einer gewissen Anzahl an Personen. Eine Privatnachricht wäre ganz klar nicht öffentlich.
Frank Michael Höfinger: Das fällt entweder unter den Straftatbestand der Beleidigung oder der Verleumdung bzw. üblen Nachrede. Wenn diese Unwahrheiten direkt an die betroffene Person gerichtet werden, ist das eine Beleidigung. Wenn das gegenüber Dritten geäußert wird, ist es eine Verleumdung oder üble Nachrede. 
 
Frank Michael Höfinger: Wenn unaufgefordert Nacktaufnahmen versendet werden, kann das eine Beleidigung sein. Das wäre eine Missachtung der sexuellen Selbstbestimmung. Wenn es sich um ein pornografisches Bild handelt, ist das Verbreitung von Pornografie und somit strafbar. Die Frage ist, was auf dem Bild zu sehen ist. Hier ist es wiederum egal, ob das öffentlich oder privat geschieht.
Kinder und Jugendliche wiederum werden hier in besonderem Maße geschützt. Wenn Minderjährigen pornografische Bilder geschickt werden, ist das stets eine strafbare Verbreitung von Pornografie, auch wenn der Empfänger damit einverstanden ist. In einem Chat durch pornografische Inhalte auf ein Kind einzuwirken, damit es sexuelle Handlungen an sich vornimmt, erfüllt bereits den Tatbestand des sexuellen Missbrauchs von Kindern – ein Körperkontakt ist dafür nicht erforderlich.
 
Frank Michael Höfinger: Bei Abbildungen gibt es immer zwei Ebenen, zum einen das Motiv an sich und zum anderen das Urheberrecht des Fotografen. Wenn eine Person zu sehen ist, hat diese immer das Recht am eigenen Bild. Es kann aber auch das Urheberrecht betroffen sein, wenn ein urheberrechtlich geschützter Gegenstand auf dem Bild zu sehen ist. Das Urheberrecht des Fotografen an der Fotografie besteht immer, auch bei einfachen „Knipsbildern“. Die Nutzung muss also immer zumindest vom Fotografen genehmigt werden.
Beim Recht am eigenen Bild kann man als Faustregel zwischen Bildern aus der Intim-, Privat- und Sozialsphäre unterscheiden. Intimsphäre ist alles, was Sexualität und Krankheit betrifft, aber auch Tagebuchaufzeichnungen. Privatsphäre ist alles, was Familie, Freunde und Hobbies betrifft. Aus diesen beiden Bereichen dürfen Bilder nicht ungefragt verbreitet werden, außer in seltenen Ausnahmefällen. Die Sozialsphäre ist der Bereich, in dem Menschen öffentlich auftreten, z.B. in ihrem Beruf oder bei Veranstaltungen. Hier dürfen Fotos gemacht und auch verbreitet werden, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht. 
Das Persönlichkeitsrecht von Kindern wird ebenfalls viel stärker geschützt. Es ist aussichtsreicher zu erwirken, dass Bilder von Minderjährigen, selbst wenn sie aus der Sozialsphäre stammen, offline genommen werden sollen, als bei Erwachsenen in derselben Situation.
 
Frank Michael Höfinger: Persönlichkeitsrechte und Urheberrechte können in beiden Fällen verletzt sein. Wenn ein Bild Rechte eines anderen verletzt, kann dieser auch die weitere Verbreitung des Bildes verhindern.
 
Frank Michael Höfinger: Die Nutzungsrechteeinräumungsklauseln der Plattformen sind alle recht ähnlich. Meist räumt man den Plattformen umfangreiche Nutzungsrechte ein, dass sie Bilder bearbeiten und für Werbezwecke benutzen dürfen. Die Nutzung für Werbezwecke bedeutet hier aber nur, dass neben dem Bild des Users Werbung angezeigt bzw. bei YouTube vor oder in dem Video Werbung eingeblendet werden darf. Die hochgeladenen Bilder „gehören“ aber weiterhin dem Urheber, also dem User, sofern er das Bild selbst aufgenommen hat. Das Urheberrecht als solches verbleibt immer beim Urheber.
Hier gelten wieder andere Rechte bei Minderjährigen. Sie können bis zum 18. Lebensjahr keine Nutzungsrechte einräumen. Das geht nur mit der Zustimmung der Erziehungsberechtigten. Theoretisch müssten diese also bei jedem Bild, das hochgeladen wird, zustimmen.
 
Frank Michael Höfinger: Extremistische und menschenverachtende Inhalte zu verbreiten ist nicht als solches strafbar. Rassistische Inhalte können volksverhetzend sein, was strafbar ist. Die Verbreitung gewaltverherrlichender Inhalte ist strafbar. Das kann ein Film sein, in dem Gewalt als legitimes Mittel zur Lösung von Konflikten verharmlost oder Gewalt in einer menschenverachtenden Weise dargestellt wird. Die Gewalt muss sich gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen richten. Die Verbreitung Pornografie muss wie erwähnt nicht unbedingt in der Öffentlichkeit stattfinden, um bereits strafbar zu sein: auch das Zusenden an einen Minderjähren oder das unverlangte Zusenden an einen einzelnen Erwachsenen ist strafbar.
Abseits davon können diese Inhalte auch jugendgefährdend sein. Dann wäre für den Anbieter einer Plattform das öffentliche Verbreiten nach dem Jugendschutzrecht unzulässig. Andere Inhalte können zumindest entwicklungsbeeinträchtigend sein, wie z.B. die Verherrlichung von Anorexie oder frauenverachtende Inhalte. Dann muss ein Plattformbetreiber dagegen vorgehen bzw. sicherstellen, dass solche Inhalte Jugendlichen nicht zugänglich sind.
 
Frank Michael Höfinger: Hier greift gegebenenfalls schon die Versuchsstrafbarkeit. Der Kontakt eines Erwachsenen zu einem Kind mit dem Ziel, es zu sexuellen Handlungen zu bewegen, ist strafbar. Das Ziel muss allerdings nachweisbar sein, beispielsweise durch Textnachrichten. Das bloße Flirten mit einem Fake-Account oder ein Treffen eines Erwachsenen mit einem Minderjährigen sind nicht strafbar.
 
Frank Michael Höfinger: Die Betreiber sozialer Netzwerke sind inzwischen dazu verpflichtet, besondere Vorsorgemaßnahmen vorzunehmen, z. B. die Bereitstellung eines Abmelde- und Abhilfeverfahrens, in dem Nutzer Beschwerden einreichen können. Für jugendgefährdende Inhalte muss es ein leicht zugängliches Beschwerdesystem geben. Jugendgefährdende Inhalte müssen gekennzeichnet werden und dürfen nur Personen zur Verfügung gestellt werden, deren Alter geprüft ist.
Beim Betreiber kann ich auch erwirken, dass ein Account gelöscht wird. Diese Person könnte sich allerdings mit einer anderen E-Mail-Adresse auch neu anmelden.
 
Frank Michael Höfinger: Bei allen Dingen, die man anzeigen möchte, muss man eine Strafanzeige bei der Polizei stellen. Bei Beleidigung verfolgt zum Beispiel aber nicht die Staatsanwaltschaft die Tat, sondern der Verletzte muss die Anklage formulieren. Hierzu bräuchte man juristischen Beistand. Eine Ausnahme besteht nur, wenn die Staatsanwaltschaft ein öffentliches Interesse bejaht, Anklage zu erheben.
Beleidigung, Verleumdung und üble Nachrede sind Privatklagedelikte. Das heißt, im Normalfall muss der Geschädigte selbst die strafrechtliche Verfolgung voranreiben. Die Staatsanwaltschaft kann aber Anklage erheben, wenn ein öffentliches Interesse besteht.
Neben der strafrechtlichen Verfolgung gibt es auch zivilrechtliche Schritte. Wenn eine Äußerung rechtswidrig ist, z.B. bei der falschen Tatsachenbehauptung, hat man immer einen Anspruch auf Unterlassung. Als Ausgleich für eine schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung oder den entstandenen finanziellen Schaden, vor allem Anwaltskosten, kann auch ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden.
 
Je nachdem, um welche Art der Beleidigung es sich handelt und ob es das Kind belastet. Zum Beispiel wenn es sich um jemanden handelt, der das Kind systematisch verfolgt und immer wieder beleidigt, persönliche Dinge im Internet veröffentlicht oder auf gewisse Dinge anspielt, dann hat es unter Umständen Sinn, rechtliche Schritte einzuleiten. So kann man dem Täter zeigen, dass er durch die scheinbare Anonymität des Internet geschützt ist. Viele Leute denken, dass sie im Internet nicht verfolgt werden, und äußern sich auf eine Art und Weise, wie sie es im realen Leben nicht tun würden.
 
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Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Doch durch die scheinbare Anonymität fallen die Hemmungen.
© Shutterstock / Antonio Guillem

Tipps vom Experten


Wenn man Inhalte meldet, muss man bedenken, dass diese gelöscht werden können. Das heißt, wenn ich sie zur Anzeige bringen möchte, sollte man selbst Screenshots davon machen. Der Betreiber der Plattform muss die Kopien nur herausgeben, wenn Mitarbeiter als Zeugen benannt werden. Zeugen verpflichtet, vor Gericht zu erscheinen und auszusagen. Es kann aber auch sein, dass die Inhalte schon gelöscht sind. Betreiber sind nicht verpflichtet, die Inhalte zu speichern.


Zur Person

Rechtsanwalt und Dozent Frank Michael Höfinger ist Experte für Datenschutzrecht, E-Commerce-Recht, Wettbewerbsrecht, Urheberrecht- und Medienrecht. Studiert hat er Chemie, Philosophie und Rechtswissenschaften in München. Als Wissenschaftlicher Mitarbeiter war er zunächst am Lehrstuhl für Strafrecht, Informationsrecht und Rechtsinformatik an der LMU München, dann im Referat Informationsrecht und Rechtsinformatik am Max-Planck-Institut für Strafrecht in Freiburg tätig. Seit 2008 ist er bei Lausen Rechtsanwälte tätig.

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