In vielen sozialen Medien wird der Anschein einer perfekten Welt erweckt. Influencer sind immer optimal in Szene gesetzt. In Tutorials wird genau erklärt, wie man porentief reine Haut bekommt, sich Augen größer und Lippen voller schminkt und auf einen stählernen Körper hinarbeitet. Gleichzeitig scheinen Influencer dabei so nahbar und echt. Diese Scheinwelt löst bei Jugendlichen aber das Gefühl aus nicht zu genügen, nicht schön zu sein – genauso perfekt sein zu wollen.
Vielen Jugendlichen ist nicht bewusst, dass Influencer Geschäftsleute sind, die mit ihren Kanälen und dem Bewerben von Produkten Geld verdienen. Carmen Frauenholz, Beraterin für Menschen mit Essstörungen in der Beratungsstelle Schneewittchen bei SOS-Kinderdorf Augsburg, schätzt vor allem Instagram kritisch ein: „Über Instagram wird eine komplett unreale Welt vermittelt. Alles ist immer gut und schön. Alle sind immer gut gelaunt. Schlechte Gefühle werden nicht gezeigt. So ist das Leben aber nicht. Es gibt so viele unangenehme Gefühle, die wir im realen Leben fühlen und auch zulassen müssen.“
In Pro-Mia- und Pro-Ana-Foren feuern sich Mädchen zum krankhaften Abnehmen an.
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Ana und Mia
Doch wirklich gefährlich sind die sogenannten Pro-Mia und Pro-Ana-Foren. Mia stammt von dem Wort „Bulimia“ (Ess-Brech-Sucht) und Ana von „Anorexia“ (Magersucht). In diesen Foren motivieren sich Menschen mit Essstörungen weiter abzunehmen.
Lena*, 19 Jahre alt, selbst jahrelang magersüchtig und nun auf dem Weg der Heilung, erzählt: „Ich war zwei Jahre lang in Pro-Ana Foren und Pro-Ana WhatsApp-Gruppen aktiv. Für diese WhatsApp-Gruppen gibt es Auswahlverfahren, wer gut genug, also eigentlich krank genug ist oder wer bereit ist, krank genug zu werden. Ich hatte bei Pro-Ana auch mehrere sogenannte „Twins“, also Abnehmzwillinge. Als Zweierteam pusht man sich immer weiter abzunehmen und wird so immer weiter in die Krankheit hineingetrieben.“
Abnehmen – für viele Mädchen und Jungen beginnt damit eine gefährliche Abwärtsspirale in eine ernstzunehmende Krankheit.
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Diese WhatsApp Gruppen sind nach BMI (Body Mass Index) strukturiert. Nimmt man weiter ab und hat einen niedrigeren BMI, steigt man auf und darf einer anderen Gruppe beitreten. Erreicht man seine Abnehmziele nicht, wird mit dem Rausschmiss aus der Gruppe gedroht. Das ist fatal, wie Sozialpädagogin Carmen Frauenholz erklärt: „Die Essstörung ist oft verbunden mit einer Depression und somit auch mit sozialer Isolation. Viele ziehen sich zurück aus Angst in Gesellschaft anderer essen zu müssen. Diese Foren und Gruppen können so die Gemeinschaft ersetzen – wenn auch zu einem sehr hohen Preis.“ Lena erklärt weiter: „Wird man dann herausgeworfen, ist man erst einmal mehr oder weniger alleine. So ist man doch gezwungen immer weiterzumachen.“