Was tun, wenn Kinder und Jugendliche ständig am Display ihres Smartphones kleben? Kann das Handy süchtig machen? Matthias Birzle, Sozialpädagoge im SOS-Kinderdorf Weilheim, erzählt von seinen persönlichen Erfahrungen und gibt Entwarnung.
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Wenn blaues Licht nachts an den Wänden flackert, noch unter der Bettdecke gesurft, gechattet oder gedaddelt wird und der 17-jährige Teenager am folgenden Tag müde und unkonzentriert ist, schreitet Matthias Birzle ein. Sofort mit einem strengen Handyverbot zu reagieren, ist für ihn allerdings nicht mehr zeitgemäß. Der 34-Jährige setzt vor allem auf eins: Dialog.
„Ich lasse mir zeigen, was genau sie nachts wachhält“, sagt der Bereichsleiter des SOS-Kinderdorfs Weilheim. Ginge es beispielsweise um nächtliche Chats auf sozialen Plattformen wie WhatsApp, könne man zusammen schrittweise Strategien erarbeiten, das eigene Verhalten besser zu steuern – und das sogar mithilfe des Mediums. „Ich gebe ihnen den Ratschlag, das Handy ab einer bestimmten Uhrzeit auf stumm zu schalten, in den Flugmodus oder die App so zu konfigurieren, dass eine neue Nachricht nicht sofort auf dem Display erscheint“, sagt Birzle.
Der SOS-Pädagoge betreute sechs Jahre lang Schützlinge im Alter zwischen elf und 18 Jahren in einer WG und weiß: „Um Akzeptanz für bestimmte Maßnahmen zu schaffen, ist es wichtig, mit offenen Karten zu spielen. Ihnen die Gründe dafür genau zu erklären.“ Wenn die Strategien nicht greifen, würde in Ausnahmefällen auch mal das Handy eingezogen und über Nacht im Büro aufbewahrt – zum Beispiel, wenn der Verdacht besteht, der Jugendliche sei auf dubiosen Seiten unterwegs und zeige diese auch Jüngeren. „Wir sind hier keine Detektei. Wir lesen keine Nachrichten und schauen keine Bilder an. Aber wir müssen schon einen groben Überblick über ihre Aktivitäten im Netz haben“, sagt Birzle. „Denn als Jugendhilfeeinrichtung unterliegen wir auch dem Jugendschutzgesetz.“
Handyfreie Zeiten
Zur ersten Orientierung gibt es in Weilheim einen WG-Vertrag, der die Teenager sowohl auf Altersfreigaben für bestimmte Inhalte als auch auf Nutzungszeiten hinweist. Nach der Schule gibt es so etwa eine handyfreie Hausaufgaben- und Lernzeit.