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Cybermobbing
Digitale Medienkompetenz

Was tun bei Cybermobbing?

Mobbing unter Kindern und Jugendlichen gibt es leider schon lange. Mit der Ausweitung in die virtuelle Welt, erreicht das Thema Mobbing aber neue Dimensionen und ist für Betroffene besonders schlimm. Heico M. Engelhardt ist Einrichtungsleiter im SOS-Kinderdorf Schleswig-Holstein und Medienpädagoge. Seit über 20 Jahren beschäftigt er sich mit dem Thema Jugendmedienschutz und ist unter anderem Vorsitzender im Beirat der USK (Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle). Im Interview erzählt er, was Cybermobbing ist und was Eltern dagegen tun können.

Was ist der Unterschied zwischen Mobbing und Cybermobbing?

Na ja, zunächst einmal unterscheidet sich Cybermobbing gar nicht so sehr von dem, was es schon immer zwischen Kindern und Jugendlichen gab. Aber: Kinder, die so etwas früher zum Beispiel auf dem Schulhof erlebt haben, konnten nach Hause gehen und da war das Mobbing erst einmal vorbei. Das ist bei Cybermobbing anders. Durch die Verbreitung im digitalen Raum folgt es den Betroffenen quasi überall hin. Und was einmal im Internet ist, ist dort auch nur schwer wieder herauszubekommen. Ein einzelner Vorfall kann Betroffenen so über eine sehr lange Zeit begleiten. Außerdem können Inhalte viel schneller vertrieben werden und die Reichweite ist eine ganz andere. Früher konnte beim Mobbing nur mitmachen, wer live dabei war. Im Internet kann dagegen jeder zu jeder Zeit zum Beispiel einen Kommentar abgeben oder Inhalte teilen. Die Welle ist dadurch natürlich viel größer.

Welche Folgen kann das für Kinder und Jugendliche haben?

Das kommt ein wenig darauf an und hängt auch davon ab, wie widerstandsfähig ein Kind ist. Aber im Prinzip ist alles möglich: von Krankheitssymptomen wie Bauchschmerzen über Angstzustände zum Beispiel beim Gedanken an die Schule bis hin zum Suizid. Man darf es wirklich nicht unterschätzen. Gerade weil Mobbing im Internet so gut wie nicht mehr einzufangen ist. Das kann bei den Opfern ein unglaubliches Gefühl der Ohnmacht und der Ausweglosigkeit schaffen. Da kommen selbst starke Kinder irgendwann an ihre Grenzen.

Kann ich als Elternteil erkennen, wenn mein Kind gemobbt wird? Wenn ja, wie?

Das hängt davon ab, was für ein Verhältnis Sie zu Ihrem Kind haben. Es gibt viele Eltern, die bekommen es sehr spät mit und machen sich dann Vorwürfe. Dabei ist es wirklich gar nicht so einfach. Denn natürlich ist das, was da passiert, beschämend für die Kinder und Jugendlichen. Um diese Schamgrenze zu überwinden und mit den Eltern zum Beispiel über ein erniedrigendes Video zu sprechen, braucht es ein sehr vertrauensvolles Verhältnis zueinander. Meldet das Kind sich nicht von selber, gibt es aber vielleicht andere Anzeichen: Zieht es sich sehr zurück, ist nicht mehr so fröhlich oder hat öfter Bauchschmerzen, wenn es in die Schule soll? Dann suchen Sie das Gespräch. Nicht mit Druck, denn den erlebt das Kind in so einer Situation schon genug, sondern mit offenen Armen und Ohren.

Und was können Eltern tun, wenn sich der Verdacht bestätigt und das Kind tatsächlich gemobbt wird?

Zunächst einmal: Auf keinen Fall die Schuld beim Kind suchen, sondern anerkennen, dass das, was das Kind erlebt, schlimm ist und gemeinsam Lösungen suchen. Theoretisch kann man den Kontakt zu den jeweiligen Online-Anbietern suchen und um die Löschung von erniedrigenden Inhalten bitten. Aber, wie eben schon erwähnt: Etwas komplett aus dem Internet verschwinden zu lassen, ist extrem schwierig. Versuchen Sie auch nicht online auf die Mobber zu reagieren, denn damit wird nur Öl ins Feuer gegossen. Was helfen kann: Wenden Sie sich an den Klassenlehrer und sprechen Sie das Thema an. Suchen Sie auch das Gespräch mit den Eltern der Täter und auch das ohne Vorwürfe. Denn wer so etwas tut, hat in der Regel selbst ernstzunehmende Probleme, für die er Hilfe braucht.

Welche Gründe kann es haben, dass ein Kind andere mobbt?

Die Frage ist ja: Warum mobben Kinder? Mobbing an sich ist ja nur ein Symptom. Besser ist es, der Ursache auf den Grund zu gehen. Vielleicht versuchen die Täter eigene Minderwertigkeitsgefühle zu überspielen, sich selbst zu überhöhen und sich mächtig zu fühlen. Vielleicht haben sie selber schlechte Erfahrungen gemacht, bekommen zu Hause keine Beachtung oder im Freundeskreis keine Bestätigung. Da kann man sich durch die Demütigung anderer schnell besser fühlen. Dabei ist den Tätern oft auch gar nicht klar, was sie auslösen. Denn gedanklich sind sie gar nicht beim Opfer, sondern nur bei sich. Das sollte in der Schule und im Klassenverband gut aufgearbeitet werden. Auch Familienberatungsstellen können helfen, wenn man bei der Schule nicht weiter kommt.

Was können Eltern denn tun, wenn das eigene Kind andere mobbt?

Erst einmal herausfinden, warum tut mein Kind das und was verspricht es sich davon? Schauen Sie nicht weg und gehen Sie ins Gespräch, aber ohne Vorwürfe zu machen. Versuchen Sie auch mit Ihrem Kind Empathie aufzubauen und seine Taten aus der Opferperspektive zu sehen. Auch sollten Sie hinterfragen, was in der Beziehung zum eigenen Kind verbessert werden könnte und sich Hilfe von Profis bei einer Erziehungsberatung suchen

Können Eltern vorbeugen, damit das eigene Kind nicht zum Mobber im Internet wird?

Wenn man es schafft, Kinder und Jugendliche so zu begleiten, dass sie im realen Leben gut miteinander umgehen, dann werden sie das auch im Internet tun. Dazu gehört, dass das Kind seine eigenen Grenzen kennt und die anderer respektiert, dass es Wertschätzung erfährt und diese anderen gegenüber hat. Dann braucht es auch keine besonderen Regeln für das Internet, denn das Sozialverhalten ändert sich ja nicht komplett nur weil der Raum auf einmal ein virtueller ist. Den Kindern zu erklären, dass das Internet nicht rechtsfrei und auch kein Garant für Anonymität ist, kann natürlich trotzdem nicht schaden.

Und wie können Eltern vorbeugen, dass das Kind nicht gemobbt wird?

Lassen Sie Ihr Kind nicht alleine aufwachsen. Begleiten und bestärken Sie Ihr Kind auf seinem Weg. Zeigen Sie ihm, dass es geliebt wird, wertvoll ist und seinen eigene Platz in der Welt hat. Denn so entsteht Selbstwirksamkeit und Selbstbewusstsein. Mobbing-Vorfälle werden Sie trotzdem nicht komplett verhindern können, denn wie ich eben gesagt hatte, entscheidet das der Täter. Aber ein starkes Kind strahlt bereits aus, dass es sich als Opfer nicht so gut eignet und geht mit den Folgen besser um, sollte es doch passieren. Solche Kinder haben es leichter, sich ungesunden Dynamiken zu entziehen. Das und ein wenig Medienpädagogik, die dem Kind erklärt, wie das Internet und soziale Medien funktionieren, hilft schon viel. Eigentlich die gleichen Mechanismen, die verhindern, dass ein Kind zum Täter wird.

Geht von Klassenchats die Gefahr aus, dass es zu Mobbing kommt?

Über solche Klassenchats läuft schon vieles. Bis hin dazu, dass dort Videos geteilt werden, die Straftaten zeigen. Wenn es dann keine Kontrolle gibt und man die Kinder damit alleine lässt, kann es schnell zu spät sein. Denn Kinder lernen in diesen Chats ganz viel über das Verhalten in virtuellen Gruppen. Deshalb braucht es gerade bei jüngeren Kindern auf jeden Fall eine Kontrollinstanz im Klassenchat.

Welche Regeln könnten gelten, damit der Klassenchat ein geschützter Ort bleibt?

Eltern sollten auf jeden Fall von dem Lehrer oder der Lehrerin Regeln einfordern. Ganz simple Dinge wie: keine Beleidigungen, keine peinlichen Fotos, keine Spam-Inhalte oder ähnliches. Bei Verstößen muss es dann natürlich auch die Möglichkeiten geben, dass diese aufgearbeitet werden und nicht wieder passieren. Ich sehe da schon die Lehrer in der Verantwortung.

Ist Cybermobbing strafbar?

Medienanwalt Frank Micheal Höfinger erklärt, was in Social Media strafbar ist und was nicht.

Unser Experte

Heico Engelhardt, Einrichtungsleiter SOS-Kinderdorf Sachsen

Heico M. Engelhardt ist Einrichtungsleitung des SOS-Kinderdorfs Schleswig-Holstein und war von 2014 bis 2021 Einrichtungsleitung des SOS-Kinderdorfs Sachsen. Der Dipl. Sozialpädagoge ist Medienexperte bei SOS-Kinderdorf und seit 2009 im Beirat der Unterhaltungssoftware Selbstschutz (USK). Seit Dezember 2022 ist er Beiratsvorsitzender der USK.