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„Digitale Medien für mehr Bildungsgerechtigkeit nutzen“

Bildung ist zentral für ein gelingendes, erfolgreiches Leben. Viele Kinder und Jugendliche in Deutschland erleben aber, dass Bildungszugänge ungerecht verteilt sind und stark vom Elternhaus und ihrer sozialen Situation abhängen. Heico Michael Engelhardt von SOS-Kinderdorf ist Experte für digitale Bildung und plädiert dafür, die Chancen der Digitalisierung für Bildung und Bildungsgerechtigkeit besser zu nutzen. 

Digitalisierung ist in aller Munde. Chancen und Risiken der so genannten digitalen Bildung wurden, insbesondere auch vor dem Hintergrund der Corona-Situation, in letzter Zeit stark thematisiert. Was aber ist genau damit gemeint? 

Digitale Bildung ist viel mehr als die Transformation analoger Bildung mit Hilfe von digitaler Technik. Vielmehr eröffnet sie völlig neue Möglichkeiten für die Bildungsarbeit. Denn die Motivation, sich mit Smartphones, Computern oder Games zu beschäftigen eint alle Kinder und Jugendlichen. Aber wir haben es bisher nicht geschafft, diese Lust auf digitale Medien im Bildungsbereich sinnvoll zu nutzen. Sie kann auch Chancengerechtigkeit befördern, wenn digitale Zugänge für alle jungen Menschen geschaffen werden. 

Wie kann digitale Bildung gerechtere Bildungszugänge schaffen, wenn man zur Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen in der Regel mahnende oder sogar alarmierende Stimmen hört? 

Digitale Medien sind für Kinder und Jugendliche heutzutage Normalität: Laut statistischem Bundesamt nutzten 2019 88 Prozent der Menschen ab zehn Jahren das Internet, fast 90 Prozent der 16 - 24-Jährigen kommunizierten über soziale Netzwerke. Da muss man die Chancen sehen, besonders in Bezug auf Bildung und Bildungsgerechtigkeit. Kinder und Jugendliche haben Lust auf Mediennutzung; ein Phänomen, das bei Schulbüchern seltener zu beobachten ist. Und das gilt für alle jungen Menschen, ganz unabhängig von ihrem sozialen Status, den finanziellen Mitteln ihres Elternhauses oder dem Bildungsgrad ihres Umfelds - alles Parameter, die in Deutschland leider immer noch über den Bildungszugang entscheiden. Die Begeisterung für digitale Vorgänge sollten wir für Bildungsprozesse einsetzen anstatt anzumahnen, wie problematisch Mediennutzung auch sein kann. Wenn wir die Medienkompetenz von Kindern, Eltern, Lehrern und außerschulischen Pädagogen gleichermaßen stärken, kann das gelingen. 

Wie könnte man also die Digitalisierung sowie die digitale Kompetenz von Kindern und Jugendlichen für Bildungsarbeit besser einsetzen? 

Erstmal braucht es Zugang zu Internet und Notebooks. Auch hier gibt es noch sehr viel zu tun. Digitalisierung im Bildungsbereich ist zuvorderst eine Frage der Lern-Kultur und muss dem digitalen Zeitalter angepasst werden. Kleingruppenarbeit statt Frontalunterricht, Lernorte auf dem gesamten Schulgelände verteilt oder sogar außerhalb der Schule, Schüler stellen ihre Lerninhalte den anderen zur Verfügung, die dadurch voneinander lernen. Es geht um vernetztes Lernen, nicht nur um reine Wissensvermittlung und Lerninhalte, sondern solche Netzwerke müssen auch soziale Kontakte sicherstellen sowie die soziale und emotionale Bildung, die Persönlichkeitsentwicklung und das Alltagslernen mit kanalisieren. 

Ihre Ideen zur digitalen Bildung erscheinen angesichts der digitalen Standards in Deutschland fast utopisch. Womit fangen wir also an, um durch digitale Möglichkeiten Bildungsgerechtigkeit voranzubringen? 

Ich bin zuversichtlich: Bildungsnetzwerke bestehen ja schon, teils in rudimentärerer Form. Daher müssen wir zuallererst die Teilhabemöglichkeiten an Bildungsnetzwerken schaffen - durch Internetzugänge und digitale Endgeräte für jeden jungen Menschen. Das ist die Grundvoraussetzung dafür, das Interesse junger Menschen an digitalen Vorgängen im Sinne von Bildungsgerechtigkeit einzusetzen. Wir sehr wir das brauchen, hat uns die Coronapandemie gerade erst schmerzlich gezeigt!
 
    

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