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Forschungsverständnis

Forschungsverständnis des Sozialpädagogischen Instituts

„Wie können junge Menschen für sich Handlungsbefähigung entwickeln und welche Bedingungen unterstützen sie dabei? Solchen Fragen gehen wir in unserer Praxisforschung nach. Wir konnten belegen, dass ein ausgeprägtes Zugehörigkeitsgefühl dazu beiträgt und zugleich ihr Wohlbefinden verbessert. Aus diesen Erkenntnissen lassen sich Empfehlungen für die pädagogische Arbeit des SOS-Kinderdorf e.V. ableiten."
Dr. Kristin Teuber, Leiterin des Sozialpädagogischen Instituts, SOS-Kinderdorf e.V.
Forschung im SOS-Kinderdorf e.V. hat einen starken Anwendungsbezug. Unsere Praxisforschung trägt durch empirisch fundierte Erkenntnisse zur Reflexion des pädagogischen Handelns bei. So regen wir organisationales Lernen und fachliche Entwicklungsprozesse an.

Mit der Praxis für die Praxis

Mit Praxisforschung wollen wir die pädagogische Arbeit mit benachteiligten Kindern, Jugendlichen und Familien fundieren. Wir unterstützen Fachkräfte dabei, Lebenslagen besser zu verstehen, Entwicklungsmöglichkeiten einzuschätzen und diese Erkenntnisse in fachlich bewusstes Handeln umzusetzen.
Dafür schließt unsere Forschung an die Praxis an und bildet sie möglichst realitätsnah ab. Dazu gehört auch die Beschreibung von institutionellen Bedingungen: wie in Einrichtungen Gemeinschaft hergestellt wird oder wie das Betreuungssystem funktioniert. Damit dies gelingt, sollen die pädagogischen Fachkräfte darauf vertrauen können, dass die Forschung einen angemessenen Blick auf ihre Arbeit und auch auf die Belange der von ihnen betreuten jungen Menschen wirft.
Praxisforschung soll der Praxis nützen! Dies gelingt, wenn ihre Ergebnisse und Empfehlungen so aufbereitet sind, dass die Fachkräfte daraus Anregungen für ihren Arbeitsalltag ziehen können. Pädagoginnen und Pädagogen erhalten damit die Möglichkeit, sich ihres professionellen Handelns zu vergewissern und sich mit ihren Anliegen einzubringen.

Junge Menschen im Blick

Wir sehen junge Menschen als Akteure ihres Lebens: Sie sind Expertinnen und Experten in eigener Sache. Uns ist es wichtig, ihnen eine Stimme zu geben. Deshalb bevorzugen wir beteiligungsorientierte Konzepte und Methoden in Forschung und Praxis.
In unseren Projekten beziehen wir uns auf Theorien, die das Subjekt in seinem Kontext in den Blick nehmen. So geht es uns beispielsweise um die Handlungsbefähigung* von Kindern und Jugendlichen und unter welchen institutionellen Bedingungen sie diese entwickeln können. Dahinter steht der Gedanke, dass sie eigene Vorstellungen für ihr Leben entwickeln können sollen.
Eine weitere Perspektive ist es, junge Menschen in sozialer Gemeinschaft zu betrachten. Um das Miteinander, etwa in SOS-Kinderdorffamilien, in der familialen Betreuung in SOS-Wohngruppen oder auch in offenen Angeboten zu beschreiben, hilft uns beispielsweise der Doing Family-Ansatz*.
Wie können wir junge Menschen stärken? In unseren Projekten versuchen wir herauszufinden, welche Bedingungen des Aufwachsens für junge Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe förderlich sind. Dazu nehmen wir die Ressourcen der Jungen und Mädchen in den Blick und die Frage, wie es gelingt, ihnen positive Beziehungserfahrungen und Zugehörigkeit zu ermöglichen. 
Wir haben mit unseren Projekten belegt, dass insbesondere Beteiligung ein grundlegendes pädagogisches Prinzip ist, welches nachweislich das Selbstwirksamkeitserleben von Jungen und Mädchen fördert und für ihre Entwicklung essentiell ist. Deshalb ist Beteiligung für uns pädagogischer Ansatz, Forschungsinhalt und methodischer Zugang zugleich.

Fachkräfte in Institutionen

Qualität entsteht im Tun des Einzelnen. Das ist das Motto des Qualitätsentwicklungsverfahrens, das im SOS-Kinderdorf e.V. eingesetzt wird. Deshalb interessiert uns in der Praxisforschung auch die Handlungsebene der Fachkräfte.
Fachkräfte sind Expertinnen für das pädagogische Handeln vor Ort. In Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe stellen sie sich als Bezugspersonen zur Verfügung und realisieren mit ihrem Handeln Entwicklungsmöglichkeiten für junge Menschen: Freiräume für das Erkennen von eigenen Fähigkeiten, für das Entdecken von Interessen und die Entwicklung von eigenen Ideen. Dieses Handeln ist herausfordernd und mitunter durch widersprüchliche Anforderungen gekennzeichnet. Wir gehen deshalb auch der Frage nach, wie Fachkräfte in ihrer pädagogischen Tätigkeit Belastungen und Ressourcen ausbalancieren können. Daher befragen wir sie zu ihren Einschätzungen, um ihren Blick auf die betreuten Kinder und Jugendlichen, ihr eigenes Handeln sowie auf ihre Rahmenbedingungen zu erhalten.

Theorie-Praxis-Dialog

Praxis und Forschung im SOS-Kinderdorf e.V. haben das gemeinsame Interesse, die Lebenslagen von Heranwachsenden in der Kinder- und Jugendhilfe zu verbessern – und tragen dazu auf ihre jeweilige Weise bei.
Praxisforschung bewegt sich zwischen Theorie und Praxis, welche unterschiedlichen Logiken und Maßstäben verpflichtet sind, und möchte Verbindungen zwischen beiden herstellen. Dafür strebt sie ein angemessenes Verhältnis an von verständnisvoller Nähe zur und Anerkennung der Praxis einerseits und einer wissenschaftlichen Unabhängigkeit und Distanz zu ihr andererseits. Mit einer Haltung der kritischen Loyalität kann sie ihre Aufgabe erfüllen, zu analysieren, zu systematisieren, einzuordnen und zu hinterfragen.
Gelingt es uns in der Praxisforschung, im Dialog mit Fachkräften vertrauensvoll und in gegenseitiger Anerkennung zusammenzuarbeiten, so können das Handlungswissen aus der SOS-Praxis und Ergebnisse aus der empirisch-wissenschaftlichen Betrachtung zusammenfließen. Erfahrungen und Fragestellungen aus der Praxis gehen dann in Forschungsprojekte ein und gewonnene Erkenntnisse aus Untersuchungen fließen an sie zurück.
Um dieses Zusammenwirken zu befördern und seinen Anspruch an die eigene Praxisforschung einzulösen, garantiert das Sozialpädagogische Institut (SPI) in seinen Vorhaben folgende Bedingungen:
  • Es wird ausführlich über die Projekte informiert.
  • Der Forschungsprozess wird transparent gemacht.
  • Die Teilnahme an Erhebungen ist freiwillig.
  • Allen Befragten wird Anonymität zugesichert.
  • Es findet ein intensiver kommunikativer Austausch statt.

Methoden und Kooperation

Einschlägige Theorien, Methoden und sozialwissenschaftliche Standards bilden das Fundament unserer Praxisforschung. Das komplexe Feld der Kinder- und Jugendhilfe erfordert eine multiperspektivische Herangehensweise. Deshalb arbeiten wir interdisziplinär und knüpfen an die Diskurse der Sozialwissenschaften (Sozial-)Pädagogik, Psychologie und Soziologie an.
In unseren Projekten kombinieren wir qualitative und quantitative Methoden der empirischen Sozialforschung und beziehen die Ergebnisse aufeinander. Durch diese Herangehensweise erweitern wir unsere Forschungsperspektive mit dem Ziel, zusätzliche Erkenntnisse zu gewinnen, die Grenzen einzelner Methoden zu überwinden und den eigenen Forschungsstandpunkt immer wieder zu hinterfragen. Insbesondere erheben wir Längsschnittdaten, um individuelle Entwicklungsverläufe von jungen Menschen in der stationären Erziehungshilfe sowie von ehemaligen Betreuten abzubilden.
Mitunter entwickelt das SPI eigene Erhebungsinstrumente, auch in Kooperation mit Partnerinstituten, und strebt die Vergleichbarkeit seiner Ergebnisse mit externen Studien an. In der Praxisforschung arbeiten wir mit anderen Institutionen, Hochschulen und Verbänden zusammen, bringen uns in den Diskurs zur Jugendhilfeforschung ein und befassen uns mit dem Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis.

Begriffserklärung

Personale Handlungsbefähigung meint das, was Menschen zu einem selbstständigen Leben befähigt. Gemeint ist eine Metaressource, die jungen Menschen dabei hilft, ihre eigenen Fähigkeiten angemessen einzuschätzen sowie Ressourcen zu erkennen und im passenden Moment zu nutzen. Besonders wichtig dafür ist es, Spannungen und Ambivalenzen auszuhalten und zu handhaben und mit widersprüchlichen Handlungsanforderungen im Alltag konstruktiv umgehen zu können. Handlungsbefähigung erlaubt es dem Betreffenden, sich zu verschiedenen Situationen zu verhalten, eigene Vorstellungen für sein Leben zu entwickeln und sich von Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen. Die Ausbildung von Handlungsbefähigung ist in hohem Maße von der Erfahrung abhängig, in seinem Leben etwas bewirken zu können (Selbstwirksamkeit), von der Überzeugung, dass das eigene Leben sinnvoll, verständlich und handhabbar ist (Kohärenzgefühl) sowie von Schutzfaktoren, die es ermöglichen, schwierige Lebensbedingungen zu überstehen (Resilienz). Wenn Jugendliche Entwicklungsaufgaben und andere für sie wichtige Themen gut bewältigen, entwickeln sie damit zugleich ihre Handlungsbefähigung weiter. Dies gelingt umso besser, je mehr Möglichkeiten sie bekommen, in ihren Belangen beteiligt zu werden, mitzusprechen und sich in verschiedenen Lebensbereichen auszuprobieren.
Doing Family ist ein Ansatz aus der Familienforschung, der besagt, dass sich Familie heute weniger als eine Struktur beschreiben lässt, sondern mehr als das gemeinsame Handeln aller Beteiligten im Alltag, durch das familiale Zusammenhänge hergestellt werden. Somit wird Familie als Prozess, als Herstellungsleistung verstanden, in der Familialität entsteht. Zugehörigkeit und Sorge sind zentrale Dimensionen von Familialität, die im Alltag anzutreffen sind und um die sich viele Familienpraktiken drehen.
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