Der Rucksack, den junge Menschen bei ihrem Ankommen in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe mitbringen, ist meist schwer: Viele von ihnen haben traumatische Erlebnisse aus ihrer Kindheit im Gepäck. Über die Entstehung und Folgen von Traumata wissen wir heute viel, so können die betroffenen Kinder und Jugendlichen gezielt unterstützt werden.

Leitet drei Wohngruppen am SOS-Kinderdorf Worpswede: Sabine Wieczorkowsky.
© SOS-Kinderdorf e.V.
Das ist auch das Anliegen von Sabine Wieczorkowsky, Bereichsleiterin im SOS-Kinderdorf Worpswede. Sie hat dort eine traumapädagogische Wohngruppe eingerichtet. Hier werden sechs Kinder und Jugendliche betreut, aktuell im Alter zwischen sechs und fünfzehn Jahren.
Was bedeutet es, traumapädagogisch zu arbeiten? Was brauchen die betreuten Kinder und Jugendlichen und welche Anforderungen stellen sich an Fachkräfte? Wie wird die pädagogische Beziehung gestaltet? Im Interview erzählt die Sozialpädagogin und Traumatherapeutin, was die Arbeit ihrer Gruppe ausmacht.
Eine traumapädagogische Wohngruppe in Worpswede – warum?
Tatsächlich war es nicht so, dass wir eine neue Wohngruppe ins Leben gerufen haben. Die Gruppe gab es, die Kinder gab es. Nachdem ich mich umfänglich in die einzelnen Biografien eingelesen hatte, war schnell ersichtlich, dass diese Kinder traumatische Erlebnisse in ihrer frühen Kindheit gehabt haben. Das ist erstmal kein Alleinstellungsmerkmal, da dies in der Kinder- und Jugendhilfe häufig anzutreffen ist.
„Die Hälfte der Kinder hatte ausgewiesene Diagnosen komplexer traumatischer Belastungsstörungen“
Hinzu kam aber, dass die Hälfte der Kinder bereits ausgewiesene Diagnosen hatte. Es ist eher untypisch, dass wir feste Diagnosen haben, wo ganz klar von komplexen posttraumatischen Belastungsstörungen die Rede ist. Das hat mich dazu motiviert zu überlegen, ob wir hier in Worpswede etwas Neues auf die Beine stellen könnten: eine Begleitung, die diesem Umstand mehr Rechnung trägt.
Durch meine eigene traumatherapeutische Ausbildung lag es für mich nahe, in Richtung eines traumapädagogischen Konzeptes zu denken. Also habe ich die Idee bei den Kolleginnen und Kollegen eingebracht – das war der Startschuss. In mehreren Klausurtagen haben wir gemeinsam geschaut, ob und wie alle an Bord geholt werden können. Ich erlebte viel Offenheit, Neugier und Lust im Team, das Vorhaben aufzugreifen.