STEEP ist ein evaluiertes Verfahren zur Stärkung der Eltern-Kind-Bindung und zur Förderung der elterlichen Erziehungskompetenz. Mit diesem Ziel setzt Hildegard Liebert in ihrer Arbeit mit jungen und jugendlichen Müttern Elemente aus dem Programm von Martha Erickson und Byron Egeland ein. In einer zweijährigen Zusatzausbildung hat die Pädagogin sich mit den entsprechenden Methoden, z.B. mit der videobasierten Beratung vertraut gemacht. Im Gespräch gibt sie Einblicke in ihre tägliche Arbeit mit STEEP bei den SOS-Kinder- und Jugendhilfen München und Erding.
STEEP steht für „Steps towards effective, enjoyable parenting“. Wie gestalten Sie diese Schritte zur effektiven und freudvollen Elternschaft?
© SOS-Kinderdorf e.V.
In unserem Projekt für junge und jugendliche Mütter im Münchner Osten möchten wir, basierend auf der STEEP-Methode, die Mutter-Kind-Bindung stärken. Im 14-tägigen Wechsel von Hausbesuchen und Gruppenangeboten werden die Mütter darin unterstützt, ihre eigenen Bedürfnisse und die ihres Kindes feinfühlig wahrzunehmen und in Einklang zu bringen. Das machen wir z.B., indem wir Interaktionen zwischen Mutter und Kind per Video aufzeichnen. In einem geschützten Rahmen nehmen wir Szenen beim Spielen, Füttern oder Wickeln auf und zeigen den Müttern die erfolgreichen Situationen.
Welche Wirkung lässt sich durch die Videoarbeit erzielen?
Ganz zentral ist, dass wir nur die positiven Sequenzen anschauen und die Mütter darauf aufmerksam machen, in welchen Momenten die Interaktion zwischen ihnen und ihrem Kind gut gelingt. Beim Betrachten der Videomitschnitte können sich die Mütter Zeit nehmen, das eigene Kind zu beobachten, die Perspektive des Kindes einzunehmen und sich selbst von außen zu betrachten. Die Mütter erleben sich dann viel positiver als in der Situation selbst. Schön ist einfach, die Entspannung in den Gesichtern zu sehen oder die Freude, wenn ihnen etwas gelungen ist.
Können Sie ein Beispiel für eine solche Bestärkung geben?
Eine Mutter hatte zum Beispiel eine ganz schwere Geburt hinter sich und war der neuen Situation mit dem Baby noch nicht gewachsen. Beim Stillen war sie enttäuscht, weil sie den Eindruck hatte, ihr Kind schaue sie gar nicht an. Dann hatten wir die Gelegenheit, eine solche Situation aufzuzeichnen und zu schauen, wo das Kind beim Füttern hinguckt. Und nachher konnten wir zusammen feststellen: Zu zwei Dritteln der Zeit schaut das Kind die Mutter an, aber die Hälfte davon sieht diese das überhaupt nicht, weil ihre Aufmerksamkeit irgendwo anders ist. Das auf Band zu erkennen, war für sie ein richtiges Aha-Erlebnis: „Oh, das Kind schaut mich ja an, und ich seh’s gar nicht!“ Das allein hilft schon viel mehr als jedes Gespräch.
Ist das der Kern der videogestützten Arbeit?
Genau. Die Eltern erhalten die Chance, ihre Wahrnehmung zu schärfen, wie sie einfühlend auf ihre Kinder reagieren können. Und ihre Stärken herauszuarbeiten. Jede Mutter, die ich bis jetzt begleitet habe, hat ihre eigenen Stärken. Viele davon sind aber verschüttet. Mit der Videoarbeit kann man das sehr schön aufdecken. Die Mütter sehen sich selber und nehmen plötzlich wahr: „Hey, ich schaff’s ja doch. Vielleicht nicht in allen Bereichen, aber da schaff ich’s.“ Und diesen Bereich bauen wir aus, um diese Stärken dann auf andere Situationen übertragen zu können.
Warum ist neben der videobasierten Beratung auch die Gruppenarbeit so wichtig?
© SOS-Kinderdorf e.V. / Foto: Schmid Media
Die Videoarbeit ist nur ein Baustein von vielen. In der Beratung versuchen wir, ein Vertrauensverhältnis zu den Frauen aufzubauen. So haben sie die Gelegenheit, neue Beziehungserfahrungen zu machen, die wiederum die Mutter-Kind-Bindung positiv beeinflussen können. Zusätzlich wirken auch die offenen Angebote und die Arbeit in der Gruppe entlastend und unterstützend. Denn im Kontakt mit anderen Müttern wird deutlich: auch diese sind nicht perfekt, und es gibt so viele ähnliche Probleme. Manchmal tut es einfach gut, etwas zusammen durchzustehen und auch Spaß miteinander zu haben. Nicht immer nur die Erfahrung zu machen: „Das Kind ist schwierig, das Kind ist belastend“, sondern in der Gruppe zu erleben: „Ein Kind bedeutet auch Lebensfreude. Es ist eine schöne Erfahrung, mit anderen zusammen ein Kind zu erziehen!“ Dafür den Blick zu öffnen, ist einer der Schwerpunkte meiner Arbeit. Weil so viele Probleme diesen Blick verstellen. Mit STEEP können wir sagen: „Jetzt haben wir Zeit für das Kind, und jetzt schauen wir mal gemeinsam, was alles geht.“
(Februar 2019)