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Beziehung, Bildung, Befähigung und Beteiligung in der Personalarbeit

Beziehung, Bildung, Befähigung und Beteiligung in der Personalarbeit

Betreuungs- und Beziehungsarbeit mit den anvertrauten Kindern, Jugendlichen und ihren Familien – das ist ein wesentlicher Bestandteil der pädagogischen Arbeit im SOS-Kinderdorf e.V. Der Träger unterstützt seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dabei, diesen Vereinszweck qualifiziert, engagiert und verantwortungsvoll zu erfüllen.
Im Gespräch schildert Elisabeth Rades, Leiterin des Ressorts Personal, welchen Rahmen die Personalpolitik von SOS-Kinderdorf dafür schafft und wie sie die Fach- und Führungskräfte an der Ausgestaltung ihres Verantwortungsbereichs beteiligt.
Beziehung, Bildung, Befähigung und Beteiligung: Was bedeuten diese pädagogischen Grundsätze für die Personalarbeit des Vereins?
Ich verstehe Bildung, Befähigung und Beteiligung nicht als rein pädagogische Grundsätze. Es sind Grundsätze, die dem SOS-Kinderdorfverein in seiner Arbeit wichtig sind – in der pädagogischen Arbeit, aber auch in allen anderen Arbeitsbereichen.
Wir erwarten von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dass sie diese Grundsätze des SOS-Kinderdorf e.V. in ihrer täglichen Arbeit umsetzen. Von unseren Führungskräften erwarten wir, dass sie ihre Mitarbeiter dabei unterstützen, motiviert und fachlich qualifiziert zu arbeiten, und dies als einen wichtigen Aspekt ihrer Führungstätigkeit ansehen.
Das setzt einen geeigneten Rahmen voraus, eine Strukturqualität, die es ermöglicht, diese Grundsätze in der Praxis umzusetzen. Darüber hinaus sollten die Mitarbeiter erleben, dass die Werte des Vereins auch im Umgang mit ihnen gelebt werden.
Wie unterstützt die Personalarbeit die pädagogischen Fachkräfte dabei, vertrauensvolle und verlässliche Beziehungen zu den Kindern und Jugendlichen aufzubauen?
Zum einen brauchen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestimmte persönliche Voraussetzungen, um diese Beziehungen zu gestalten. Das ist ein Aspekt der Personalauswahl. Im bestehenden Arbeitsverhältnis bedarf es einer gewissen Sicherheit, und zwar über den Bestand der Beschäftigung ebenso wie hinsichtlich der Beziehung zu Vorgesetzten, zu Kollegen, zum Arbeitgeber allgemein. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen eine Orientierung, wie in der Organisation mit Konflikten, Schwierigkeiten oder Fehlern umgegangen wird.
Eine sorgfältige Einarbeitung, Möglichkeiten der Weiterbildung und persönlichen Entwicklung und – soweit dies möglich ist – unbefristete Arbeitsverhältnisse tragen zu dieser Sicherheit bei. Aus meiner Sicht ist eine längerfristige Bindung an die eigene Aufgabe und den Arbeitgeber eine Voraussetzung dafür, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragfähige und vertrauensvolle Beziehungen zu den ihnen anvertrauten Kindern und Jugendlichen eingehen können.
Worauf kommt es in der Beziehungsgestaltung zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern und auch unter Kollegen an?
Die Gestaltung von professionellen Beziehungen erfordert eine Klarheit darüber, wie in bestimmten Situationen miteinander umzugehen ist und wie Konflikte geregelt werden. In Arbeitsverhältnissen haben Vorgesetzte und Mitarbeiter mitunter divergente Interessen, sie schätzen Notwendigkeiten unterschiedlich ein. Die Arbeit im Schichtdienst zum Beispiel wird – trotz aller Bemühungen – nicht immer mit der Work-Life-Balance jedes einzelnen Mitarbeiters übereinstimmen.
Es geht nicht darum, allen Mitarbeiterwünschen gerecht zu werden, aber es kommt darauf an, den Mitarbeitern die Sicherheit zu geben, dass ihre Belange gesehen werden, dass ihre Bedarfe wichtig sind und dass sie im Rahmen der bestehenden Prozesse und bei anstehenden Entscheidungen berücksichtigt werden. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass Mitarbeiter eine Bindung an ihre Aufgabe und den Arbeitgeber entwickeln können.
Wenn Sie das große Themenfeld „Bildung und Befähigung“ betrachten: Welche Entsprechung finden diese Aspekte im Umgang mit den Mitarbeitern?
Ganz naheliegend sind hier die Punkte Weiterbildung und Schulung. SOS-Kinderdorf bietet seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein vielfältiges Programm an vereinsinternen Weiterbildungen. In diesen Bausteinen kann der Verein besonders intensiv auf SOS-spezifische Aspekte eingehen. Zusätzlich unterstützen wir unsere Fach- und Führungskräfte bei externen Fortbildungen.
In diesem Zusammenhang ist auch die Gestaltung der Arbeitsprozesse zu nennen. Wir gestalten Arbeitsprozesse im Sinne einer lernenden Organisation, so dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Möglichkeit des Lernens und der fachlichen wie auch persönlichen Entwicklung haben. Konkret bedeutet dies zum Beispiel, pädagogische Interventionen zu reflektieren, um daraus für das eigene Handeln zu lernen, die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln und zu erweitern. Letztlich will der Verein seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu befähigen, den eigenen Aufgabenbereich mitzugestalten und die damit verbundene Verantwortung zu erkennen und zu übernehmen.
Handlungssicherheit zu erlangen ist für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wichtig. Besondere Bedeutung hat die Auseinandersetzung mit dem eigenen professionellen Handeln für Berufseinsteiger in den stationären Arbeitsfeldern. Um die jungen Fachkräfte intensiv zu begleiten, hat die Personalentwicklung von SOS-Kinderdorf das Programm „Berufseinstieg als Pädagoge/-in (BEP)“ entwickelt.
Natürlich möchten wir nicht nur unsere Mitarbeiter befähigen, sondern auch die Führungskräfte dabei unterstützen, geeignete Voraussetzungen zu schaffen für qualitativ hochwertige und ergebnisorientierte Arbeit.
Wie gelingt es, die Führungskräfte so zu stärken, dass sie dieses Führungsverständnis mit Leben füllen?
Dem Verein ist es ein Anliegen, dass sich die Führungskräfte an den vereinsweiten Führungsrichtlinien orientieren und es als ihre Aufgabe auffassen, einen Rahmen zu schaffen, in dem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die an sie gestellten Erwartungen erfüllen können. Zur Unterstützung bietet der Verein Schulungen an, die genau diese Aspekte trainieren. Eine Reihe von Fortbildungen befasst sich mit dem Thema Mitarbeiterführung, aber auch mit Themen wie Selbstmanagement und Achtsamkeit.
Welche Beteiligungsmöglichkeiten haben Mitarbeiter bei SOS-Kinderdorf?
Zum einen haben wir Führungsleitlinien, die Wert legen auf Beteiligungsorientierung, Delegation und Verantwortungsübernahme. Neben den internen Fortbildungen, die ein beteiligungsorientiertes Führungsverständnis vermitteln, nutzt der Verein ein Qualitätssicherungsverfahren. Das GAB-Verfahren baut darauf auf, dass Mitarbeiter an der Gestaltung ihrer Arbeitsprozesse beteiligt sind. Letztlich findet Beteiligung auch auf einer ganz klassischen Ebene statt, nämlich in der örtlichen Betriebsratsarbeit und in der Arbeit unseres Gesamtbetriebsrates.
Was bedeutet es konkret, dass eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz und sein Tätigkeitsfeld mitgestalten kann?
Das bedeutet, dass ich die Mitarbeiter miteinbeziehe bei der Überlegung, welche Aufgaben wahrzunehmen und welche Interventionen durchzuführen sind. Ich berücksichtige ihre Expertise, anstatt einzelne Arbeitsschritte und Ziele nur von oben vorzugeben.
Wie gelingt es, diese Anliegen der Personalarbeit vereinsweit in der Praxis umzusetzen?
Hilfreich ist, dass wir die zentralen Anliegen unserer Organisation in den internen Schulungen vermitteln. Als Orientierungsrahmen entwickelt SOS-Kinderdorf darüber hinaus Qualitätsstandards und Richtlinien, z.B. Führungsleitlinien, Standards zur Einarbeitung, zur Gestaltung der Mitarbeitergewinnung, der Bewerbungsgespräche etc.
Ein weiterer Weg zur Umsetzung ist unser Kommunikationssystem. Die Themen werden z.B. auf Leitungskonferenzen, Regionaltagungen, in Meetings und bei Führungskräftetreffen aufgegriffen. Es wird diskutiert, wie beispielsweise Beteiligung in einzelnen Projekten und in unterschiedlichen Arbeitsbereichen umgesetzt werden kann. Nicht zu unterschätzen ist auch die Vorbildfunktion der jeweiligen Führungskraft. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.
Vertrauen und Wertschätzung gehören zu den wesentlichen Grundwerten des Vereins. Woran erkennen Sie, dass diese Werte leben?
Daran, dass es möglich ist, sich über Themen kontrovers auseinanderzusetzen und auch über Fehler zu sprechen. Man überlegt gemeinsam, was man aus schwierigen Situationen lernen kann. Vertrauen zeigt sich auch, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu mir als Vorgesetzter kommen, um sich bei Problemen Hilfestellung oder Beratung zu holen. Und natürlich, wenn Menschen in unterschiedlichen Kommunikationsforen Themen ansprechen, die sie bewegen.

Statements

„Um anderen eine Hilfe sein zu können, muss es mir selbst gut gehen. Ich muss mich dort, wo ich arbeite, auch wohlfühlen und Unterstützung in meiner beruflichen Entwicklung erfahren.“
Anna Semmler, Ambulante Hilfen, SOS-Kinderdorf Augsburg


„Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen Sicherheit und gute Arbeits-bedingungen. Sie müssen wissen: Die Leitung steht hinter ihnen, sie werden gesehen, sie können sich entfalten und in ihrer Einrichtung selbstständig arbeiten. Wenn die Atmosphäre stimmt, wenn sie sich aufgehoben fühlen, dann können sie das auch an die Kinder weitergeben.“
Claudia Braß-Wissink, Bereichsleiterin für Wohngruppen im SOS-Kinderdorf Niederrhein