Wie war Ihr Weg zur SOS-Kinderdorfmutter?
Ich habe zwei eigene Kinder, die mittlerweile erwachsen sind (22 und 23 Jahre alt). Die beiden heranwachsen zu sehen und zu erziehen war eine sehr schöne, bereichernde und prägende Erfahrung. Als dann eine berufliche Neuorientierung für mich anstand, war die Frage: Was erfüllt mich, ist sinnstiftend und entspricht meinen Fähigkeiten? Dabei bin ich auf das Konzept Kinderdorffamilie gestoßen. Ich war angetan von der familienanalogen Lebensform. Im Laufe meiner Ausbildung zur Erzieherin reifte der Beschluss, Kinderdorfmutter zu werden. Zusammen mit meinem Lebensgefährten bin ich dann 2020 ins Kinderdorf gezogen.
Was sind die herausfordernden Seiten in Ihrem Alltag?
SOS-Kinderdorfmutter zu sein ist weit mehr als Mutter sein. Jedes Kind hat schlimme, oft traumatische Erlebnisse hinter sich und ein entsprechendes Päckchen zu tragen. Jedes geht anders mit dieser Last um und jedes für sich braucht eine gute Begleitung, um zu lernen, damit umzugehen und wieder Vertrauen und Zuversicht zu schöpfen. Dabei spielt die Kinderdorfmutter als verlässliche Bezugsperson eine zentrale Rolle.
Eine weitere Herausforderung ist die Zusammenarbeit mit den Herkunftsfamilien der Kinder. Im besten Fall gelingt es, einen guten und regelmäßigen Kontakt der Kinder zu ihren Herkunftsfamilien zu ermöglichen.
Die dritte Herausforderung liegt in den administrativen Tätigkeiten, die oft mehr Zeit in Anspruch nehmen, als mir lieb ist. Das muss sein, sollte aber für die Kinder und im Alltag keinen allzu großen Raum einnehmen.
Was macht Ihren Tag zu einem guten Tag?
Ein Tag, an dem ich mir für jedes Kind genug Zeit nehmen konnte. Das ist für die Kinder und mich sehr wichtig, dass ich Zeit für sie habe und mich mit Ruhe dem widmen kann, was sie beschäftigt, zuhöre, rede, spiele, mich interessiere.
Wenn ich zudem noch genug Zeit für mich selbst und meinen Lebensgefährten habe, dann ist das ein guter Tag.
Welches Ritual ist in Ihrer Familie wichtig?
Unser Jüngster ist jetzt knapp zwei Jahre alt. Er bekommt morgens einen warmen Hafer- oder Griesbrei mit Obst. Unsere Großen wollten dann auch sowas. Seitdem koche ich jeden Morgen für alle einen Topf Brei - auch für die 11-Jährige.
Ein weiteres Ritual ist, dass ich mir abends für jedes Kind Zeit nehme. Mit der 6-Jährigen mache ich oft ein Spiel oder lese vor. Mit der 11-Jährigen mache ich noch ein kleines Workout oder wir reden.
Steht dieses Jahr etwas Besonderes bei Ihnen an?
Wir werden noch ein Kind aufnehmen. Das ist sehr spannend, weil ein weiteres Kind die Dynamik in der Familie nochmal wesentlich verändern kann.
An Pfingsten werden mein Lebensgefährte und ich mit den Kindern einen Familienurlaub machen - irgendwo in Deutschland. Darauf freuen wir uns schon.