Vom Leben nach dem Auszug aus dem SOS-Kinderdorf Württemberg
Vier Jahre ist es her, dass Mandy aus dem SOS-Kinderdorf ausgezogen ist. Heute ist sie für ein Gespräch mit ihrem früheren Wegbegleiter, dem Diplom Sozialpädagogen Volker Grimm, zu Besuch. Ein Gespräch über Selbstständigkeit nach dem SOS-Kinderdorf, das Studium und die Zukunft.
Was war für dich zu Beginn deines Studiums besonders herausfordernd?
Mandy hat den Schritt in die Selbständigkeit nicht nur geschafft – sondern mit Bravour gemeistert!
© SOS-Kinderdorf e.V.
Nachdem ich im Oktober 2017 aus dem SOS-Kinderdorf ausgezogen bin, habe ich in einer WG ein kleines Zimmer im Dachgeschoss bezogen. Was für eine Umstellung, plötzlich alleine zu sein. Einen großen Teil meines Lebens habe ich mit fünf SOS-Kinderdorfgeschwistern in einem SOS-Kinderdorf mit 80 Kindern und Jugendlichen gelebt. Deswegen war es am Anfang für mich sehr herausfordernd, nur für mich zu sein. Da ich aber ein offener und kommunikativer Mensch bin, konnte ich schnell Anschluss zu meinen Kommilitonen finden und Freundschaften schließen.
Was hast du in deinem Studium gelernt?
Nicht nur Theorie! Früher war ich unsicher und hatte manchmal Angst, die Kontrolle zu verlieren. Ich denke, das kommt aus meiner Lebensgeschichte. Es macht aus meiner Sicht einen Unterschied, ob man als Kind ganz normal bei seinen eigenen Eltern aufwächst oder wenn man, wie ich, unter besonderen Umständen aufwächst. Man könnte sagen, dass ich zwischenzeitlich erwachsen geworden bin. Ich bin heute in der Lage, mir eine Meinung zu bilden und kann Entscheidungen treffen. Ich bin viel selbstständiger geworden und kann mich gut neuen Entwicklungen stellen und sie annehmen.
Das Studium selbst war kein Zuckerschlecken und wurde von Semester zu Semester schwerer. Jetzt, nach 8 Regelsemestern, habe ich in der Hochschule meinen Studiengang „Betriebswirtschaft im Gesundheitswesen“ erfolgreich mit dem Bachelor abgeschlossen. Darauf bin ich mächtig stolz!
Welche Rolle hat das SOS-Kinderdorf für deine Entwicklung gespielt?
Im SOS-Kinderdorf habe ich mich beschützt und umsorgt gefühlt. In meinen Interessen wurde ich hier immer gefördert und unterstützt. . Auch habe ich ganz praktische Dinge wie Wäsche waschen oder den Umgang mit Finanzen gelernt. Das hat mich gut auf das Leben nach der SOS-Kinderdorffamilie vorbereitet.
Im SOS-Kinderdorf lebt man in einem geschützten Rahmen. Wenn man dann auszieht, fällt dieser weg. Das war für mich anfangs ganz schön schwierig, als ich mich plötzlich um so viele Dinge kümmern musste.
Über den SOS-Kinderdorf e.V. hatte ich zu Beginn meines Studiums die Chance, mich für ein Stipendium bei der Merck-Finck-Stiftung zu bewerben. Im Bewerbungsverfahren habe ich dann den Stiftungsrat überzeugen können und wurde für die komplette Dauer meines Studiums gefördert. Die Förderung umfasste Beratung durch einen Mentor und einen monatlichen Geldbetrag. Beides war für mich ein unglaubliches Glück. Die Gespräche mit meinem Mentor gaben mir Orientierung und die finanziellen Unterstützung die Sicherheit. Damit war es mir möglich, einen Teil meiner Ausgaben zu bestreiten. Ich habe über die Jahre dann immer noch verschiedene Jobs gemacht um mir etwas dazu zu verdient. Mit dem Stipendium konnte ich mich aber richtig gut auf mein Studium konzentrieren und hatte keine Geldsorgen.
Mandy wuchs als junges Mädchen im SOS-Kinderdorf Württemberg auf.
© SOS-Kinderdorf e.V. / Foto: Marion Vogel
Was machst du im Moment so?
Im Moment bin ich auf Jobsuche. Die Chancen stehen ganz gut, da mein Studium einen breiten Zugang zu vielen Jobs bietet. Ich bewerbe mich im Moment im Arbeitsfeld Krankenhausmanagement und bei der pharmazeutischen Industrie. Mit meinem Abschluss könnte ich aber auch in ein betriebliches Gesundheitsmanagement einsteigen, bei der Krankenkasse oder in der Politik arbeiten. In diesen Arbeitsfeldern sehe ich mich aber im Moment nicht.
Anmerkung: Wenige Tage nach diesem Gespräch hatte Mandy bereits eine Anstellung gefunden. :-)
Wo siehst du dich in 10 Jahren?
Dann bin ich immer noch mit meinem jetzigen Partner zusammen und wir haben 3 Kinder. Ich arbeite als Teamleitung in meinem Beruf und bin wirtschaftlich unabhängig. Ich fahre einen Tesla (ich mag das Design). Diesen habe ich natürlich gebraucht gekauft weil ich als BWLerin weiß, was ein Neuwagen für einen unglaublichen Wertverlust hat wenn man den Schlüssel auch nur einmal umdreht. Wenn das mit dem Tesla nicht klappt ist es übrigens nicht so schlimm. Aber wenn ich schon mal träumen darf…
Was für einen Rat würdest du jemandem geben, der noch im SOS-Kinderdorf lebt?
Wenn du aus dem SOS-Kinderdorf ausziehst, dann nimm weitere Unterstützung an. Es ist gut, wenn man die vielen Entscheidungen, die man zu treffen hat, mit jemandem bespricht. Und es kommen so unglaublich viele Dinge, über die man vorher sich noch keine Gedanken gemacht hat. Mietvertrag, Müllgebühren, Versicherungen und das alleine wohnen. Da ist es gut, jemanden an der Seite zu haben.
Am Ende muss aber jeder seinen eigenen Weg gehen. Es ist wichtig, dass man an sich selber glaubt! Manche Sachen muss man einfach probieren, denn man weiß dann wenigstens, dass man es versucht hat. Jeder hat die Verantwortung, das Beste aus sich heraus zu holen.
Liebe Mandy, das SOS-Kinderdorf Württemberg freut sich riesig mit dir über deinen Studienabschluss und gratuliert dir ganz herzlich. Vielen Dank für das Interview und für die Zukunft alles Gute!