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Jugendliche in der Corona-Pandemie

20. November 2020


Jugendliche treffen die Auswirkungen der Corona-Pandemie besonders hart: Im Frühjahr monatelang geschlossene Schulen, nun wieder eingeschränkte soziale Kontakt und außerdem schlechte Aussichten auf Jobs und Ausbildungsplätze.

Hohe Akzeptanz von Regeln und Beschränkungen

SOS-Kinderdorf hat Jugendliche in den SOS-Einrichtungen zur Corona-Pandemie befragt. Insgesamt zeigt sich eine hohe Akzeptanz der Situation und damit einhergehender Regeln und Beschränkungen. „Heranwachsende gehen meistens sehr verantwortlich mit der Situation um. Sorgen wir als Erwachsene dafür, dass sie nicht als ‚rücksichtslose Superspreader‘ unter Generalverdacht gestellt werden“, appelliert Dr. Kristin Teuber, Leiterin des Sozialpädagogischen Instituts von SOS-Kinderdorf.

Persönliche Treffen unersetzlich

Knapp die Hälfte der Befragten sorgt sich um die berufliche Zukunft, ein Teil verspürt sogar Angst in der Corona-Zeit. Vor allem reduzierte soziale Beziehungen zu Freunden und Familie sowie die eingeschränkte Alltags- und Freizeitgestaltung sehen sie als grundlegende Veränderungen. Knapp die Hälfte hat während des ersten Lockdowns viel Zeit mit Freunden online verbracht und Kontakte mehr über soziale Medien gepflegt als sonst. Dennoch finden sie mehrheitlich, dass sich auch so persönliche Treffen nicht ersetzen lassen.
 „Ganz besonders betroffen sind die jungen Menschen, denen es bereits vor der Pandemie nicht gut ging – etwa weil sie psychisch belastet waren oder sich in der Schule schwertun. Um diejenigen müssen wir uns bei SOS-Kinderdorf besonders kümmern“, erklärt Dr. Kristin Teuber. „Darüber hinaus lässt sich generell sagen: Jugendliche leiden ganz besonders unter den Corona-Beschränkungen, weil viele Ereignisse und Möglichkeiten für sie wegfallen, die Spaß machen, die aber auch für ihre Entwicklung von entscheidender Bedeutung sind und sich nicht einfach nachholen lassen. Die Corona-Krise wird mittel- und langfristige Folgen für junge Menschen haben“, so Dr. Teuber weiter.
Und auch Luise Pfütze, Advocacy-Referentin von SOS-Kinderdorf, meint: „Der Vorschlag der Bundesregierung, Kontaktbeschränkungen derart zu verschärfen, dass Kinder und Jugendliche jeweils nur einen festen Freund oder Freundin treffen dürfen, geht an der Lebensrealität vieler Kinder völlig vorbei. Nicht zuletzt gibt es auch Gruppen- bzw. Freundschaftskonstellationen, bei denen bei strikter Befolgung einer solchen Regel ein Kind quasi ‚leer ausgehen‘ würde. Es ist daher zu begrüßen, dass dieser Vorschlag von den Bundesländern nicht aufgegriffen wurde – und das sollte er auch bei künftigen Beschlüssen nicht. Wenn es um die Entwicklung weiterer Perspektiven für die kommenden Monate geht, sollte die Politik die Meinungen von jungen Menschen proaktiv einholen, ihre Interessen stärker in den Blick nehmen und berücksichtigen.“

Beteiligung auch Diskussion über Schulschließungen

Auch bei der Diskussion, ob und wie Schulen im Pandemiewinter betrieben werden sollen, sollten junge Menschen beteiligt werden, denn immerhin betreffen sie diese Regeln unmittelbar. Ein Großteil würde sich jedoch gegen eine Schulschließung aussprechen. Bei politischen Entscheidungen zum Schulbetrieb muss also auch das Recht auf Bildung und auf die Begegnung mit Gleichaltrigen von Kindern und Jugendlichen bedacht werden.
„Nach Monaten geschlossener Schulen, Einschränkungen beim digitalen Unterricht, Verunsicherung durch erneute Quarantänenotwendigkeiten und Zurückhaltung der Wirtschaft bei der Besetzung von Ausbildungsstellen, machen sich junge Menschen zu Recht Sorgen um ihre schulische und berufliche Zukunft. Hier muss die Politik handeln und  Ausgleichsmöglichkeiten für diese Nachteile finden und finanzieren. Dazu braucht es eine ernsthafte Beteiligung der jungen Menschen, denn es geht um ihre Zukunft“, betont Dr. Birgit Lambertz, stellv. Vorstandsvorsitzende des SOS-Kinderdorf.

Weitere Informationen zur Corona-Befragung von SOS-Kinderdorf

Das Sozialpädagogische Institut von SOS-Kinderdorf (SPI), unter Leitung von Dr. Kristin Teuber, hat in die diesjährige Erhebung der SOS-Längsschnittstudie einen Extra-Fragebogen zur Situation in der Corona-Pandemie eingebunden. Die Befragung lief im Mai und Juni 2020, also nach dem Lockdown zur Zeit der ersten Lockerungen. 439 junge Menschen im Alter von 12 bis 18+ Jahren aus 29 SOS-Einrichtungen haben freiwillig teilgenommen. Mädchen (55%) waren etwas häufiger vertreten als Jungen (43,5%).