Wie alles begann...
Seit vielen Jahren engagiert sich Einrichtungsleiterin Karin Schäfer für ein gutes Miteinander der Kulturen. Denn egal ob Kinder im SOS-Kinderdorf Schwarzwald oder in einem SOS-Kinderdorf in Israel aufwachsen, sie haben eines gemeinsam: aus unterschiedlichen Gründen können Sie nicht bei ihren leiblichen Familien aufwachsen. Eine Geschichte, die verbindet und helfen kann, Grenzen zu überwinden.
Wie kam es zur Idee des Projekts?
2012 hatten wir den Jahresempfang des SOS-Kinderdorf e.V. bei uns im Kinderdorf Schwarzwald. Das Thema war „Begegnung der Kulturen“. Schon zu diesem Zeitpunkt hatten fast die Hälfte unserer Kinder und Jugendlichen einen Migrationshintergrund.Wir wissen und wussten aber, dass das wirklich gelebte Miteinander der Kulturen eine Daueraufgabe im Alltag ist. Diskriminierungen ohne nachzudenken, Vorurteile gegenüber Unbekanntem waren immer wieder Themen. Ein zweiter Aspekt war, dass die Gemeinde Sulzburg bis zur Jahrhundertwende (um 1900) ein reiches jüdisches Leben hatte. Ein Drittel der Bevölkerung war jüdisch. Zeugnisse dieser reichen Vergangenheit sind heute noch die sanierte Synagoge und der jüdische Friedhof. Somit lag es nahe, in der internationalen SOS-Kinderdorf-Welt einen Blick nach Israel zu richten. Damals gab es noch keine Flüchtlingswelle und die daran geknüpften Herausforderungen.
Seit wann gibt es dieses Projekt
Bis wir dann endlich den ersten Austausch machen konnten, war einiges im Vorfeld abzuklären. Voraussetzung war zunächst die Bereitschaft von SOS Israel, dann die Bereitschaft des internationalen SOS-Kinderdorf vereins und letztlich ganz wichtig, die Finanzierung des ersten Austausches. 2016 war es dann soweit. Eine Gruppe von 9 Jugendlichen und zwei Betreuerinnen aus dem SOS-Kinderdorf Megadim in der Nähe von Nazareth besuchten uns in den Sommerferien. Der krönende Abschluss war ein kleines Konzert an der Uni in Freiburg.
Was lernen die Kinder/Jugendlichen dadurch?
Schulunterricht zum Umgang mit Fremdem und Fremden und der wirkliche Alltag sind wie so oft im Leben zwei verschiedene Welten.Wenige im Kinderdorf wussten viel über die jüdische Geschichte, über die Menschen in Israel und über die deutsche Verantwortung, die aus dem Holocaust entstanden ist. Es öffneten sich tatsächlich ganz neue Dimensionen und Welten.
Der Trailer gibt im O-Ton sehr gut wieder, was die Jugendlichen bewegt hat und bewegt. Spätestens beim Gegenbesuch im SOS-Kinderdorf Megadim 2017 wurde sehr klar, wie richtig die Annahme ist, dass man einen anderen nur verstehen kann, wenn man in dessen „Haus“ tritt oder wenn er in unser Haus tritt. Lernen findet eben doch nicht nur auf der kognitiven Ebene statt. Will man Nachhaltigkeit erzeugen, braucht es „Kopf, Herz und Hand“.
Konnten Sie in der Vergangenheit bereits wahrnehmen, dass Hemmschwellen abgebaut wurden?
Von Hemmschwellen würde ich an der Stelle weniger sprechen. Schließlich war es schon etwas ganz Besonderes, eine solche Reise zu unternehmen. Aufregung, freudige Erwartung, Flugangst, Anspannung beschreibt es eher. Dann die Unmittelbarkeit oder Wucht der Eindrücke, es war einfach überwältigend und sehr deutlich sichtbar und spürbar, wie dies wirkte. Diese Unmittelbarkeit der komplett anderen Welt und das, was es in den Jugendlichen auslöst(e), bringt ohne „Vorwarnung“ ein komplett positives Erstaunen zum Vorschein. Plötzlich beginnen alle nachzudenken über das eigene Leben, die eigenen Lebensumstände, Fragen über Fragen werden gestellt, Reflexion wird ausgelöst. Dann die Menschen, die uns begegnen und begegneten: Es berührt alle emotional sehr stark, es entsteht ein wirklich unmittelbares Verständnis, Freundschaften beginnen zu wachsen.
Gibt es besonders schöne Erfolgsmomente der vergangenen Jahre?
Eine der israelischen Jugendlichen war sehr beeindruckt, was wir in Deutschland tun, um die jüdische Kultur zu respektieren und wie sorgsam wir mit unserer Geschichte umgehen. Sie hatte sich nie im Leben so etwas vorgestellt. Unsere Jugendlichen wiederum waren so voll von Eindrücken, die weit über das hinausgehen, was man bei einer Reise in zum Beispiel mediterrane Regionen lernt. Sie waren tief berührt davon, wie eng in Israel alles beieinander ist. Die Gastfreundschaft und das lebendige Leben, die andere Kultur, genauso wie die Konflikte im Land und die verschlossenen Grenzen.
Der Besuch in Yad Vashem bewirkte ähnlich dichte Gefühle: Große Betroffenheit über das Ausmaß der Verfolgung im 3. Reich und wir spürten alle, wie nahe unsere Jugendlichen ihren Emotionen und ihren eigenen Biografien waren. Alle gleichsam betonten auch, dass die SOS-Familie vieles erleichtert. Die Tatsache, dass alle, Israelis wie Deutsche, ähnliche Hintergründe haben,weshalb sie in einem SOS-Kinderdorf sind, ebnete sehr schnell Barrieren. Niemand musste sich in den Hintergrund gedrängt und niemand benachteiligt fühlen.
Selbst der Besuch der Israelis bei unseren unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen im April 2018 war mehr als eindrucksvoll. Während im Vorhinein einige Bedenken bestanden, war das Eis innerhalb kurzer Zeit gebrochen. Gemeinsam essen, Matetee trinken und gemeinsam Musik machen: Selbst ein halbes Jahr später begegneten sich die beiden Gruppen mit großer Freude und Freundschaft. Einen sehr schönen Satz eines Betreuers auf meine Frage, wie den die israelische Jugendlichen im Nachhinein unseren Austausch empfinden, habe ich noch deutlich in Erinnerung: „That changed their life“ (das hat ihr Leben verändert). Und dann die Musik! Dies ist in der Tat eine Sprache, die weltweit verstanden wird, die unsere Emotionen anregt und unsere Herzen öffnet. Im Trailer bringt dies eine Jugendliche deutlich zum Ausdruck.
Warum ist es wichtig, dieses Projekt mit einer Spende zu unterstützen?
Es ist einfach von immenser Bedeutung, dass junge Menschen mit Herz und Verstand begreifen können, dass in dieser Welt unterschiedliche Kulturen leben und wie wichtig es ist, miteinander zurechtzukommen. Das Wort „begreifen“ sagt in diesem Zusammenhang aus meiner Sicht alles. Es drückt aus, dass Erfahrungs-Räume für das nachhaltige Lernen von immenser Bedeutung sind. Solche Erfahrungen prägen wirklich. Reflektierte Erfahrung ist eben mehr als kognitives Lernen. Und sie lernen ja nicht nur den Umgang mit unterschiedlichen Kulturen. Sie lernen für sich, sie werden ein Stück erwachsen, sie beginnen, Verantwortung zu übernehmen. Zwar hatte ich gehofft und geträumt, dass wir solche Entwicklungen anstoßen können, aber wie großartig dies tatsächlich funktioniert, hat selbst mich überrascht.
Da wir den Austausch mit Schwerpunkt Musik und Bewegungstanz fortsetzen und dies sehr gerne einen öffentlichen Publikum 2020 einmal in Tel Aviv und einmal in Freiburg präsentieren möchten, sind wir nach wie vor auf freundliche und großzügige Unterstützung angewiesen.
Spenden ist ganz einfach
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