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Von Erfolgsgeschichten und gebackenen Bienen

02. September 2022

Nach zwei Jahren coronageschuldeter Zwangspause machte sich dieses Jahr zum insgesamt achten Mal eine Gruppe von sechs Jugendlichen und zwei Betreuenden des SOS Kinderdorf Sauerland auf den langen Weg von Lüdenscheid nach Nordengland. Im Rahmen des „Inspire-Projektes“ folgten wir der Einladung des ehemaligen SOS-Kindes Dr. Eric Baumgartner an die Teikyo University in Durham.
Dieser hat es sich mit der Initiierung dieses Projektes zum Ziel gesetzt, weniger privilegierten Jugendlichen Lebensart, Kultur und vor allem die Sprache seiner Wahlheimat näher zu bringen. Für diese Erfolgsgeschichte hat er ein Netzwerk geschaffen, das sich großzügig an der Finanzierung und Durchführung der Ferienmaßnahme beteiligt. Exemplarisch hierfür sei das Engagement der Rotarier genannt, durch die diese Reise immer wieder möglich ist. Aber auch die Beteiligung ehemaliger und aktiver Mitarbeitender der Universität in Durham spielt eine große Rolle. Da ist zum einen Michael, der als ehemaliger „Bursar“ (das ist so etwas wie der Schatzmeister der Einrichtung) zu einem feinen Dinner im Restaurant „Finnbars“ einlud. Hier haben unsere  Jugendlichen mutig und erfolgreich ausschließlich in Englisch kommuniziert. Und zum anderen sei Helen genannt, die als Mitarbeiterin der Uni japanische Studierende betreut und die wir alle in unser Herz geschlossen haben. Auf  Helens Initiative hin bereiteten einige der Studierenden unserer Gruppe mit der Gestaltung eines japanischen Abends ein weiteres Highlight. Dabei lernten unsere Jugendlichen ein paar Worte Japanisch und konnten sich in Origami und Kalligraphie erproben. Natürlich verabschiedeten wir uns mit einem höflichen aber lautstarken „Arigato“.
Die meiste Zeit unseres Aufenthaltes wurden wir zusätzlich von zwei Studierenden der UWS (University of the West of Scotland aus Paisley bei Glasgow) begleitet. Linda und Sophie waren es dann auch, die uns LüdenscheiderInnen stolz ihre Hauptstadt präsentierten. In Edinburgh haben wir uns tatsächlich alle ein bisschen verliebt, die Mischung aus Tradition und weltoffener europäischer Metropole gelingt hier perfekt. Wunderschöne Einkaufsstraßen, Schottlands bestes Eis zum zweiten Frühstück, der Grabstein des „echten“ Tom Riddle, der als Vorbild für den düsteren Lord Voldemort diente, Dudelsackmusik, Schottenröcke und eine von einer Falknerin begleiteten Begegnung zwischen Ray und einer Eule mitten in der Stadt sind nur einige wenige von vielen bleibenden Eindrücken. Zum 70jährigen Thronjubiläum war außerdem gerade die Queen in der Stadt und wir konnten aus der Ferne ankommende Gäste sehen. Unsere Jugendlichen schwören zudem, dass sie die Queen höchstpersönlich gesehen hätten… Da muss ich wohl gerade weggeschaut haben. Aber ich glaube, dass ich Prinz Charles‘ markante Silhouette erspäht habe… ;-)
Nach einem etwas ruhigeren Tag freuten wir uns darauf, Lukas zu begrüßen. Er ist ebenfalls ein ehemaliger Bewohner unseres Kinderdorfes. Jetzt lebt und arbeitet er in Leeds als Intensivpfleger.
Eine weitere Erfolgsgeschichte - Inspire sei Dank! Denn Lukas ist einst als Teilnehmer mit nach Durham gefahren und ist quasi geblieben! In seiner Begleitung konnten wir dann noch ein paar Ziele in der näheren Umgebung erkunden. So sahen wir zum Beispiel den überdimensionalen eisernen „Angel of the North“, welcher nahe Newcastle über die sanften Hügel Nordenglands wacht. In Tynemouth genossen wir einen Tag an der Nordsee inklusive Panoramablick beim Mittagessen im Restaurant „The Gibraltar Rock“ und Indoorflohmarkt im architektonisch sehr interessanten Bahnhof.
Und apropos Essen:
Zum Frühstück waren wir Gäste im nahegelegenen Collingwood College, wo sich ein paar zuvorkommende Mitarbeitende um unser leibliches Wohl kümmerten, und das obwohl während der ganzen Zeit Festivitäten zur „Graduation“ dort abgehalten wurden. Danke auch hierfür.
Natürlich gab es viel traditionell Englisches zum Frühstück: Porridge, Toast, Jam und Marmite (eine vergorene Würzpaste, die für kontinental geprägte Gaumen mehr als gewöhnungsbedürftig ist) und of course: baked beans in Tomatensauce. Diese wurden von unserem Teilnehmenden Jeremy kurzerhand mit „gebackene Bienen“ übersetzt, was für ein paar laute Lacher und einen wunderbaren Running Gag für den Rest der Freizeit sorgte.
Viel zu schnell sind die Tage vorbeigegangen und so war unser Besuch in der Durham Cathedral das letzte große Highlight, denn hier im Innenhof sind ein paar Szenen der ersten Harry Potter Filme gedreht worden. Wer erinnert sich nicht an Ron Weasleys missglückten Schneckenfluch?!
Leider konnten wir nicht den Turm erklimmen, denn wegen der Graduation Week war gerade an diesem Wochenende Voranmeldung nötig. Da half auch Marleens in Edinburgh erworbener Zauberstab nichts. Und außerdem muss es ja auch noch ein paar Programmpunkte fürs nächste Jahr geben, wenn wir dann wieder kommen dürfen.
Abends überprüften wir beim Schauen des ersten Harry Potter Filmes (natürlich im Original), ob wir die live gesehenen Orte identifizieren konnten, was mühelos und voller Freude gelang.
Und dann waren sie auch schon vorbei, die zwölf Tage im Norden Englands, die so viele bleibende Eindrücke und Begegnungen mit tollen Menschen gebracht haben und von denen unsere Jugendlichen sicher noch lange profitieren können. Und wer weiß, vielleicht begrüßt eine oder einer von ihnen in zehn Jahren die Inspiregruppe 2032, das wäre dann wirklich eine weitere Erfolgsgeschichte.
Ulrike Freiherr-van Beek
SOS-Kinderdorf Sauerland