Zum Warenkorb 0

Zum Warenkorb hinzugefügt:

Schutzgebühr:

Zum Warenkorb
30871_KD-Zwickau_13.06.2017_MichaelBader_9098
Der Dorfrat

Beteiligung im SOS-Kinderdorf Zwickau

Der Sozialpädagoge Berthold Grenz leitet im Rahmen des Fachdiensts den Dorfrat des SOS-Kinderdorfes Sachsen. Hier erzählt er, wie sich der Dorfrat entwickelt hat und welches seine Aufgaben sind.

Wer hatte die Idee für den Dorfrat?

Berthold Grenz: Eigentlich kam die Idee von unserem ehemaligen Einrichtungsleiter, Jürgen Förster. Als Kommunalpolitiker war er jahrelang engagiert und spürte, dass eine zeitige Beteiligung der Kinder und Jugendlichen nötig ist, um sie an die Prinzipien von Demokratie und Mitbestimmung heranzuführen.

Seit wann gibt es den Dorfrat?

B.G.: Den Dorfrat gibt es bereits viele Jahre. Da wir aber nicht irgendein Modell kopieren wollten, haben wir über die Jahre ein Eigenes entwickelt, das zu uns passt. Anfänglich wurde unter allen Kindern und Jugendlichen die Vertretung gewählt, es gab Altersgruppen, Altersgrenzen. Oft wurden die Beliebtesten gewählt, die sich nicht immer als die Geeigneten herausstellten. Inzwischen sind die Dorfratsmitglieder „Delegierte“ ihrer Häuser oder Bereiche. Sie werden in den Hausrunden gewählt. Es gibt keine feste Amtszeit. So kann im Haus neu entschieden werden, wenn sich die Bedingungen ändern oder ein Anderer das Amt übernehmen möchte. Dieses Modell hat sich im letzten Jahr sehr gut bewährt.


Was ist das Hauptanliegen des Dorfrats?

B.G.: Der Dorfrat im SOS-Kinderdorf Sachsen ist das Bindeglied zwischen Erwachsenen und Kindern. Hier haben Kinder und Jugendliche die besondere Chance, Ideen, Wünsche, Beschwerden anzubringen, um sie öffentlich zu machen. Aber sie sollen auch bei bestimmten Entscheidungen mitwirken und gemeinsam über Thema diskutieren. Die Idee von uns Pädagogen geht da noch etwas weiter. Nur wer den Sinn von Beteiligung versteht und spürt, dass Engagement auch wirkt und etwas bewirkt, wird dies im Leben auch weiter tun. Vielleicht besteht auch so eine Chance, der Politikverdrossenheit und der zunehmend abwartenden Haltung junger Erwachsener entgegenzuwirken. Oft wird gemeckert, was alles nicht geht oder was andere entschieden haben. Die Erfahrung, sich selbst beteiligen zu können, muss erst gemacht werden. Und diese Erfahrung zu machen, wollen wir hier im sächsischen SOS-Kinderdorf den uns anvertrauten Kindern und Jugendlichen ermöglichen.

Wie viele Delegierte gehören ihm an?

B.G.: Die Zahl der Delegierten ist abhängig von der Zahl der Angebote. Es ist auch möglich, aus einem Haus zwei Delegierte zu senden, um Jüngere von Älteren anleiten zu lassen. Derzeit arbeiten im Dorfrat zehn Kinder und Jugendliche gemeinsam mit vier

Kinderrechtspeis Übergabe

20013 wurde der Dorfrat mit dem Kinderrechtspreis "gribs" ausgezeichnet. SOS-Kinderdorf-Mitarbeiter Berthold Grenz nimmt die Urkunde entgegen

 Pädagogen. Der Einrichtungsleiter kann jederzeit dazukommen.


Ist es schwer, Kinder und Jugendliche zu finden, die sich aufstellen und wählen lassen?

B.G.: Eigentlich nicht. Es hat sich gezeigt, dass unsere Kinder und Jugendlichen immer mehr Wert auf eine aktive Beteiligung legen. Dazu müssen sie natürlich auch eine Entscheidungsbefugnis haben und nicht nur auf dem Papier Rechte besitzen. Wir haben uns auf einige Themen geeinigt, bei denen der Dorfrat lediglich informiert oder direkt beteiligt wird. Und er darf auch manches selbst entscheiden.

Wie oft trifft sich der Dorfrat?

B.G.: In der Regel trifft sich der Dorfrat ein Mal im Monat. Das ist das Minimum. Wenn es notwendig ist, setzen sich die Delegierten auch öfter zusammen.

Was sind die Themen, um die es geht?

B.G.: Natürlich gibt es immer etwas zu besprechen. Häufig tauschen wir uns über Beobachtungen der Kinder aus und versuchen uns auf eine Vorgehensweise zu einigen.

Orientierung geben dabei die „Regeln des Zusammenlebens“, die wir vor Jahren vereinbart haben und immer wieder überarbeiten. So wird ein defektes Spielgerät entdeckt, eine heimliche „Raucherecke“, eine Streitigkeit noch einmal beleuchtet. Aber auch der Wunsch nach einer Feriendisko, einem Filmabend, einer Karaoke-Show kommt zur Sprache. Erst kürzlich konnte der Dorfrat über die Verwendung einer Firmenspende entscheiden und wälzte die Kataloge von Spielgeräteherstellern. Zur Übergabe der großen Schaukel dankte er dann dem Spender. Dank der Spende der A&O-Hostel konnten wir in den vergangenen Jahren eine interessante „Polittour“ nach Berlin anbieten. Über die Teilnahme entschied ebenfalls der Dorfrat, da sich alle Kinder des Kinderdorfes für diese Reise bewerben konnten.


Kann Einigkeit erzielt werden oder treffen oft ganz unterschiedliche Meinungen aufeinander?

B.G.: Es gibt schon viele Diskussionen, aber im Streit gingen wir noch nie auseinander. Das spricht eigentlich für die gute Form des Umgangs im Dorfrat. Natürlich wird bei Entscheidungen abgestimmt.
Alle wissen, dass die Abstimmung zu akzeptieren ist, und daran halten sie sich. Es gibt natürlich Themen, wo die Meinungen weit auseinandergehen. So stand die Frage, ab welchem Alter in unserem Kinderdorf Handys erlaubt sind. Nun sehen unsere Kinder und Jugendlichen in der Schule bei vielen ihrer Freunde ein Handy. Hier einen Konsens zu finden, war nicht ganz leicht.

Wie läuft eine Sitzung ab?

B.G.: Die Sitzungen werden in der Regel von einem Kind oder Jugendlichen geleitet. Dazu gehören die Einladung, die Themensammlung und die Moderation. Auf Wunsch wird von einem Pädagogen unterstützt. Die Sitzung unterscheidet sich kaum von denen anderer Gremien. So gibt es einen Versammlungsraum, eine Tischrunde, ein paar Getränke und etwas zum Knabbern. Es wird Protokoll geführt und maximal eine Stunde getagt. Wir haben absichtlich auf Funktionen wie Vorsitz und Schriftführer verzichtet. Diese Aufgaben gehen ringsum, damit jedes Mitglied diese Aufgabe üben kann.

Gibt es Vorbilder für den Dorfrat im KD Sachsen oder Nachahmer?

B.G.: Natürlich haben wir den Dorfrat als Gremium der Beteiligung nicht erfunden. Es gibt zahlreiche Kinderparlamente, Räte und Versammlungen. Wir haben uns auch etwas bei unserer Satzung anregen lassen, indem wir in das SOS-Kinderdorf Brandenburg gereist sind. Dort trafen wir uns mit dem Brandenburger Dorfrat und hielten die Ohren offen. Bei dieser Gelegenheit bauten wir in Brandenburg unsere eigene erste Satzung, die natürlich zu uns passte. Daher war die sächsische Satzung eigentlich ein „Brandenburger Papier“, würde hier die große Politik sagen. Die derzeitige Form der delegierten Vertreter von Häusern und Bereichen in Verbindung mit den Hausrunden ist möglicherweise auch für andere neu. Ein Vorbild dafür hatten wir nicht, es ist unsere Eigenentwicklung. 

Stimmen der Kinder und Jugendlichen zum Dorfrat

Die 15-jährige Svenja war bereits 2006 Mitglied im Dorfrat und hat sich dann nach zweijähriger Pause 2009 erneut wählen lassen: „Ich möchte den Kindern und Jugendlichen aus unserem Dorf helfen und kann durch mein Engagement ein Vorbild sein. Außerdem möchte ich gern meine Interessen und Probleme einbringen.“

Da jede Kinderdorffamilie im Dorfrat vertreten sein sollte, kristallisiert sich innerhalb der Häuser schnell der geeignete Kandidat heraus, oder wie im Fall von Melanie, 17: „Alle im Haus haben auf mich eingeredet.“

Bereut hat es noch keines der Kinder und Jugendlichen, Mitglied im Dorfrat zu sein, denn schließlich kann man „mitreden und Wünsche äußern“, so der 16-jährige Andi. Svenja sieht den Vorteil darin: „Wir Kinder und Jugendlichen stehen so mit den Erwachsenen in Kontakt. Wenn wir ein Anliegen haben, können wir damit zu ihnen kommen und dann gemeinsam eine Lösung finden.“ Und Jonny, 10 Jahre: „Ich bin dadurch besser informiert, was im Dorf passiert.“

Zu vielen Delegierten kamen schon Geschwister und Freunde mit ihrem Anliegen, damit diese es im Dorfrat vortragen. Bei der 16-jährigen Jenny nutzte sogar schon der Erzieher die Vermittlerrolle, die sie als Mitglied innehat.
Auch wenn es im Dorfrat meist um konkrete Anliegen des täglichen Zusammenlebens in der Gemeinschaft geht, sagt vielen Dorfrat-Mitgliedern auch die UN-Kinderrechtskommission etwas. Svenja: „Ich finde es sehr lobenswert, dass sich Erwachsene für Kinder und Jugendliche engagieren und uns dadurch sehr helfen. Die UN-Kinderrechtskommission ist ein erster Schritt an dem weitergearbeitet werden muss, damit die Ziele verwirklicht werden können.“

Sensibilisiert durch ihr eigenes Engagement und die regelmäßig stattfindende Polittour nach Berlin, suchen sich manche der Delegierten ihre Vorbilder in der Politik. Für Svenja ist es „Obama, da er sich für Frieden und Gerechtigkeit einsetzt und die Menschen immer wieder zum Staunen bringt.“ Und der 13-jährige Maurice findet Martin Luther King toll: „Weil er nie aufgehört hat, um das zu kämpfen, was ihm wichtig war.“

So erreichen Sie uns