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: Beteiligung
Das Recht gehört zu werden

Das Recht gehört zu werden

Im SOS-Kinderdorf in Zwickau wird nicht nur über Kinderrechte debattiert, sie werden schon längst gelebt.
Vom Recht auf eine gewaltfreie Erziehung bis hin zum Recht auf Mitbestimmung: Im SOS-Kinderdorf in Zwickau wird nicht nur über Kinderrechte debattiert, sie werden schon längst gelebt.
Die elfjährige Sandra nascht noch schnell ein Gummibärchen aus der Schale vor ihr auf dem Tisch, dann schreibt sie in Schönschrift „Dorfrat“ auf die erste Seite ihres Blocks. „Haus 1?“, ruft Kinderdorfleiter Heico Engelhardt in diesem Moment in die Runde. Der 48-Jährige prüft im Schnelldurchlauf, ob alle seine Schützlinge versammelt sind – und nun darf jeder der Reihe nach erzählen, was es Neues gibt.
Einmal im Monat findet sich der Dorfrat des SOS-Kinderdorfs Zwickau in dem lichtdurchfluteten Gemeinschaftsraum zusammen, um über aktuelle Projekte, neue Ideen, aber auch Probleme und Sorgen zu reden. Jedes der 13 Häuser des Kinderdorfs, das im Moment rund 80 Kindern und Jugendlichen ein Zuhause bietet, schickt dazu ein oder zwei der jungen Bewohner. Diese kleine Delegation trägt die neuen Informationen wieder in die jeweilige Kinderdorffamilie oder Wohngruppe zurück. „Wir ziehen bald um“, berichtet Sandra aus Haus 11. „Ich habe einen neuen Bruder bekommen. Er heißt Luca“, erzählt der 14-jährige Jonas aus Haus 13 stolz. „Und wir haben uns außerdem überlegt, dass es toll wäre, wenn es einen Fahrradverleih für alle geben würde.“ Der Vorschlag wird in der Runde rege diskutiert und kommt bei allen gut an. Auch die anstehende Sommerfreizeit und der Abschied von einigen Erziehern sind nur einige der Themen, die die Kinder an diesem Nachmittag bewegen. Außerdem gibt es eine Beschwerde, denn bei einer der letzten Geburtstagsfeiern wurde die Musik zu laut aufgedreht: „Ich dachte, die machen da Disko“, sagt einer der Jungs und alle lachen.
„Die Werte müssen gelebt werden“
„Das Besondere an unserem Dorfrat ist, dass die Kinder hier selbst zu Wort kommen“, sagt Heico Engelhardt. Der studierte Sozialpädagoge leitet das SOS-Kinderdorf Zwickau seit Februar 2014. Dabei wirkt er aber so gar nicht wie der strenge Chef, sondern wie jemand, der jedem auf Augenhöhe begegnet. Vor allem den Kindern: „Wir besprechen alle Themen ganz offen, jeder darf seine Meinung sagen. Und wir nehmen die Anregungen und Wünsche der Kinder sehr ernst.“ Der Dorfrat ist nur eine der vielen Maßnahmen, dank derer Kinderrechte im Alltag des Kinderdorfs gelebt werden. Ganz gemäß dem Grundsatz: Jedes Kind hat das Recht auf Mitbestimmung. Dieses Recht entspricht auch der UN-Kinderrechtskonvention, die am 2. September 1990 durch die Vereinten Nationen festgesetzt wurde. Deutschland hat diese Konvention, wie fast alle Länder weltweit, unterzeichnet – doch die dort benannten Kinderrechte sind nicht im Grundgesetz verankert.
Dies könnte sich jedoch bald ändern: Die SPD plädiert für eine Änderung der Verfassung, während die Union einen solchen Schritt bisher als „Symbolpolitik“ ablehnt. Denn dann, so argumentieren Gegner der Verfassungsänderung, stünde unter Umständen plötzlich Kinderrecht gegen Elternrecht. Und noch stellt das Elternrecht die stärkste verfassungsrechtliche Barriere gegen eine Verstaatlichung der Erziehung dar. „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft“, heißt es in Artikel 6 des Grundgesetzes. Für Heico Engelhardt und SOS-Kinderdorf steht jedoch das Wohl des Kindes ganz klar im Vordergrund: „Kinderrechte gehören ins Grundgesetz, denn junge Menschen brauchen dringend eine eigene rechtliche Absicherung in der Verfassung. Dabei geht es nicht darum, die Elternrechte zu schwächen, sondern die Kinderrechte zu stärken. Doch auch wenn man noch so viele Regeln und Gesetze schriftlich festhält – das Allerwichtigste ist, dass diese Werte auch gelebt werden.“
Das Bewusstsein für Kinderrechte stärken
Der Beweis dafür hängt im hellen Treppenaufgang des Hauptgebäudes an der Wand: Für das besondere Engagement im Zeichen der Kinderrechte hat das SOS-Kinderdorf Zwickau 2013 den Sächsischen Kinderrechtspreis verliehen bekommen. Und dass diese Werte hier tatsächlich den Alltag prägen, spürt man sofort: Nicht nur die Tür von Heico Engelhardt steht den Kindern immer offen – es gibt neben den zahlreichen Erziehern auch zwei Schutzbeauftragte, die als besondere Vertrauenspersonen fungieren, sowie einen Kummerkasten, in den alle Kinder anonym Botschaften einwerfen können. Neben dem monatlichen Dorfrat findet zudem zwei Mal im Jahr eine Vollversammlung statt, bei der jeder die Chance bekommt, sich mitzuteilen und einzubringen. Angst, seine Meinung zu sagen, muss hier keiner haben. „Bei uns lernen die Kinder und Jugendlichen von Anfang an, gehört und ernst genommen zu werden und dass sie etwas bewirken können, wenn sie sich beteiligen“, sagt Engelhardt.

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