In Zwickau unterstützt SOS-Kinderdorf Frauen, die unter häuslicher Gewalt leiden. Dieses wichtige Projekt wird in diesem Jahr auch von der SOS-Kinderdorf-Stiftung unterstützt. Katharina Schneider* arbeitet im SOS-Mütterzentrum Zwickau und hilft dort den betroffenen Frauen und Kindern. Hier erklärt sie, wie SOS-Kinderdorf auf die Herausforderungen reagiert, den betroffenen Frauen und Kindern eine sichere Umgebung bietet und wie all dies umgesetzt wird.
Frau Schneider, können Sie uns erklären was Sie tun, um Frauen vor Gewalt zu schützen?
Seit 20 Jahren bietet der Frauenschutz bei SOS-Kinderdorf Zwickau vor allem eine Möglichkeit der Beratung und des Schutzes für Frauen und ihre Kinder, die von häuslicher Gewalt betroffen oder bedroht sind. Wir sind für sie da und helfen Ihnen, wenn sie das Gefühl haben sich und ihre Kinder in Sicherheit bringen zu müssen. Manchmal kann schon ein schlichtes Gespräch helfen, etwa auch zum Gewaltschutzgesetz, und manchmal ist die Unterbringung in einer unserer Frauenschutzwohnungen notwendig. Entscheidet sich eine Frau dazu, das Angebot des Frauenschutzes anzunehmen, begleiten wir sie zu Ämtern und Behörden, helfen ihr bei der Wohnungssuche und bei Fragen des Sorgerechts. Wir arbeiten natürlich auch mit Rechtsanwälten, Therapeuten und Beratungsstellen zusammen.
Und wie können wir uns eine solche Frauenschutzwohnung vorstellen?
Diese Wohnungen liegen in ganz normalen Mehrfamilienhäusern. Die Frauen haben mit ihren Kindern ein Zimmer (bei mehreren Kindern auch zwei Zimmer bzw. die gesamte Wohnung). Die Gemeinschaftsräume wie Küche und Bad teilen sie sich mit den anderen Bewohnerinnen – ein bisschen wie in einer normalen Wohngemeinschaft. Der Alltag ist dort nicht immer ganz einfach, da unterschiedliche Erziehungsstile, Tagesabläufe oder auch Ansprüche an Sauberkeit und Ordnung aufeinandertreffen. Die Frauen sind für sich selbst und ihre Kinder verantwortlich, aber bei Problemen können sie sich rund um die Uhr an eine der SOS-Mitarbeiterinnen wenden.
Wie viele Frauen und Kinder leben denn in Ihren Frauenschutzwohnungen?
Wir haben zwei Wohnungen für Frauen und ihre Kinder, insgesamt gibt es dort fünf Zimmer mit 12 Plätzen. Im Durchschnitt nehmen wir pro Jahr 50 Frauen und Kinder in den Frauenschutz auf.
Und wie lange bleiben Sie dort?
Uns ist es wichtig, dass die Frauen so lange wie nötig und so kurz wie möglich im Frauenschutz bleiben. Die Vorgabe des Landes Sachsen beträgt drei Monate – das ist aber meist nicht einzuhalten. Alleine die Kündigungsfrist der alten Wohnung, Anträge bei Behörden und die Suche nach einer neuen Wohnung verlängern die Aufenthalte oft. Gerade am Anfang sollen die Frauen Zeit und Raum haben, um zur Ruhe zu kommen und sich Gedanken machen zu können, wie es für sie weiter gehen soll und kann. Diese Phase ist für den Erfolg der Hilfe entscheidend. In der Regel kann man sagen, dass die Frauen zwischen drei und sechs Monaten im Frauenschutz bleiben.
Wie geht es für die Frauen weiter, nachdem sie aus der Schutzwohnung ausgezogen sind?
Das hängt von der einzelnen Frau ab. Einige sehen die Zeit im Frauenschutz als Abschnitt ihres Lebens, den sie möglichst schnell beenden wollen. Andere Frauen besuchen uns weiterhin im Elterntreff, um das Erlebte noch einmal zu thematisieren, oder auch um sich Rat bei anderen Themen wie z.B. der Kindererziehung zu holen.
Entscheiden sich die Frauen für ein Leben ohne ihren früheren Partner, unterstützen wir sie bei allen notwendigen Schritten. Wir versuchen ihnen dabei zu helfen, sich und ihre Kinder in einer Gewaltsituation zu schützen. Es kommt auch immer wieder vor, dass Frauen nach Jahren wieder im Mütterzentrum auftauchen und erzählen, wie viel sie in der vergangenen Zeit geschafft haben oder auch, weil sie erneut einen gewalttätigen Partner haben und die Hilfe des Frauenschutzes noch einmal in Anspruch nehmen wollen.
Können Sie uns an einem Beispiel erklären, warum Frauen zu Ihnen kommen?
Frauen kommen zu uns, weil sie in ihrem eigenen Zuhause unter Gewalt leiden. Diese Gewalt kann viele Gesichter haben: Nur in wenigen Fällen ist es das blaue Auge oder der gebrochene Arm. Viel häufiger geht es um psychische Gewalt, um Kontrolle, Machtausübung, finanzielle Abhängigkeit. Diese Frauen haben in der Regel keine oder nur wenig Unterstützung und keine Möglichkeit bei Freunden oder Familie unterzukommen.
Gibt es denn heute mehr häusliche Gewalt als früher?
Eine generelle Zunahme von häuslicher Gewalt kann man vor allem in Ballungsgebieten beobachten. Die Dunkelziffer der bedrohten und betroffenen Frauen und Kindern ist außerdem noch einmal deutlich höher.
Wie helfen sie Frauen, die ihren Partner nicht verlassen können oder wollen?
Frauen können unabhängig davon, ob sie ihren Partner verlassen wollen oder nicht, zu uns kommen. Uns ist es sehr wichtig, dass die Frau ihre Entscheidung selbst und freiwillig trifft. Sie muss sich auch nicht sofort entscheiden, ob sie den Frauenschutz in Anspruch nehmen will oder nicht. Manchmal kommt eine Frau auch erst nach Wochen, Monaten oder auch Jahren wieder auf uns zu.
Ist es schon einmal vorgekommen, dass ein Mann seine Frau bei Ihnen sucht? Wie gehen sie mit solchen Fällen um?
Wir halten den Standort der Wohnungen geheim, also können Männer ihre Expartnerinnen dort gar nicht suchen. Es kam schon vor, wenn auch äußerst selten, dass ein Mann im Mütterzentrum aufgetaucht ist um seine Frau zu suchen. In diesen Fällen war jedoch das offene Haus mit seinen Mitarbeiterinnen und Besuchern ein Schutz für die Frau und hat die Männer abgeschreckt. Es kommt auch vor, dass telefonisch nachgefragt wird, ob sich eine Frau bei uns befindet. In solchen Fällen sagen wir den Anrufern immer, dass wir keine Auskünfte erteilen können, informieren die Frau jedoch über den Anruf, falls sie tatsächlich bei uns ist.
Müssen sie auch manchmal die Polizei hinzuziehen, oder sich auf andere Art und Weise selbst schützen?
Wenn Frauen uns in einer akuten Situation über das Notruftelefon anrufen, verweisen wir immer an die Polizei. Wir selbst können aus Gründen des Eigenschutzes in einer solchen Situation nicht dazwischen gehen. Die Zusammenarbeit mit der Polizei funktioniert in diesen Fällen sehr gut. Außerdem versuchen wir, nicht auf den Partner der betroffenen Frau zu treffen, sodass die Frau in Ruhe mit uns sprechen kann, ohne dass der Partner weiß, dass wir Mitarbeiterinnen des Frauenschutzes sind. Wenn die Frau nicht all ihre Habseligkeiten und die der Kinder aus der Wohnung mitnehmen konnte, bitten wir die Polizei, noch einmal mit der Frau zusammen in die Wohnung zu gehen.
*Der Name der SOS-Mitarbeiterin wurde zum Schutz der beteiligten Personen verändert.