Die Babybedenkzeitpuppe hilft Elternsein realistisch einzuschätzen.
© SOS-Kinderdorf e.V.
Wie ist es mit einem Baby? Jugendliche testen die Belastungen des Elternseins
Nach der Ausbildung werde ich mit meinem Freund eine Familie gründen und erst mal Mutter werden und drei Jahre zu Hause bleiben.” Solche Sätze hört Gesualda Pistone immer häufiger in ihren Projekten der Jugendberufshilfe. Vor allem im letzten Ausbildungsjahr stellt die Sozialpädagogin und Koordinatorin eine Tendenz zu dieser Lebensplanung mit Kind und Familie fest.
„Ob das mit Ängsten vor einem Scheitern in der Berufswelt und finanziellen Unsicherheiten verbunden ist, können wir nicht sagen“, so Gesualda Pistone. „Wir merken, dass bei den oft sehr jungen Azubis völlig idealisierte Vorstellungen von Kindererziehung und Familienführung vorherrschen, selbst und gerade dann, wenn die eigenen Erfahrungen dem deutlich widersprechen.”
Eine Puppe als Lern-Medium und ein hoch komplexes Instrument
Die Fachkollegen und Fachkolleginnen des SOS-Kinderdorf Saarbrücken diskutierten immer häufiger, mit welchem sexualpädagogischen Konzept man dieser Problematik begegnen könnte. Der Impuls, die Auszubildenden mit Hilfe einer Babybedenkzeitpuppe mit den Freuden und Leiden einer jungen Elternschaft vertraut zu machen, kam von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Ausbildungsteams. „Die Jugendlichen sollen erleben, wie es sein kann, für ein Kind Verantwortung zu übernehmen”, erklärt Tina Müller, Ausbilderin im Team Hauswirtschaft. Die hohen Anschaffungskosten für Puppe samt dazugehöriger Software waren bisher immer wieder eine Hürde für die Verwirklichung unserer Idee gewesen”, erinnert sich Gesualda Pistone. “Mehrere Jahre hintereinander fiel dieser Plan den Sparmaßnahmen zum Opfer.”
Erst mit der Unterstützung eines Spenders, gelang die Umsetzung des Konzepts „Elternpraktikum“. Die Babybedenkzeit-Puppe ist ein hochkomplexes Instrument, das, computergesteuert, ein möglichst realistisches Bild einer frühkindlichen Versorgungssituation simuliert. „Je nach Einstellung auf einer Skala von schwach bis intensiv, können Verhalten und Versorgungsbedürfnisse eines Babys eingestellt werden“, erklärt die Teamkoordinatorin. Die Jugendlichen, sind für einige Tage für „ihr Baby“ verantwortlich und erleben einen realistischen Tagesablauf. Füttern, Wickeln Umhertragen: Alle Handlungsweisen werden detailliert aufgezeichnet.
Freiwillige Probe-Eltern vor!
Es war nicht schwer, Freiwillige zu finden: Im Laufe der Ausbildungsjahre hatten sich einige Paare gefunden, die eine Elternschaft in Erwägung zogen.
Die ersten Probe-Eltern, Florian und Sabrina, erklärten sich bereit, die Pflege „ihres Babys“ für sieben Tage und sechs Nächte zu übernehmen. Mit dem Film “Babybedenkzeit - ein Praktikum als Eltern” bereiteten sich beide auf ihre Elternwoche vor. Die Jugendlichen liehen sich Babykleidung im Tausch-Second-Hand-Laden des SOS-Mütterzentrums und ersteigerten sogar einen günstigen Kinderwagen auf “ebay”.
“Das Baby erhielt eine Geburtsurkunde, und hieß von nun an Elias”, berichtet Tina Müller. Die Eltern bekamen ein Babytagebuch und standen per Whats App stets mit der Sozialpädagogin in Verbindung.
Ein ID-Bändchen verband Florian und Sabrina mit ihrem „Sohn”. Die Technik in der Puppe überwachte die Pflege und zeichnete sie akribisch auf: Wie gefühlvoll oder ruppig würden Florian und Sabrina mit ihrem Baby umgingen? Würden Sie stets die passende Bekleidung zur Außentemperatur wählen? Würden Sie selbst nachts aufstehen, um das Baby zu beruhigen?
Fazit: Ein Baby? Ja, aber ...
Die Ergebnisse bescheinigten Florian und Sabrina einen verantwortungsvollen Umgang mit ihrem Baby. So weit so gut. Aber beide stellten fest: “Wir sind froh, dass wir uns die Urlaubszeit für das Experiment ausgesucht haben, sonst wäre es schwer geworden!” „Vater“ Florian gab zu, dass er Elias oft an Sabrina übergab. Etwas zögerlicher gestand er, dass es viel Streit gegeben habe. „Wir hatten wenig Zeit füreinander und waren wegen des Schlafmangels oft gereizt. “Da wir unserem Kind als Eltern auch materiell gerne etwas bieten möchten, werde ich auf jeden Fall meine Ausbildung zu Ende führen und mir eine gute Arbeit suchen müssen”, findet Florian. Wie er das allerdings mit einem Kind im Haus schaffen sollte, sieht er nach der Probe-Elternzeit nicht mehr. “Wir hätten dann zu Hause wohl keine Möglichkeiten mehr, die nötige Entspannung zu finden, zu lernen und Kräfte zu sammeln.”
Und „Mutter“ Sabrina? Sie ist von ihren Erfahrungen und dem guten Ergebnis weiterhin beseelt und hält zwar an ihrem Kinderwunsch fest, doch mit Einschränkung: “Falls ich und Florian nicht die passende Stelle finden, haben wir ja noch Zeit, uns das mit dem Kind zu überlegen.“