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Wo Generationen sich treffen und Ersatzfamilien entstehen

Werner Lorang war schon immer gerne von Menschen umgeben. Noch heute erzählt der 83-Jährige begeistert von seinem früheren Beruf als Außendienstmitarbeiter, seinen Dienstreisen und vor allem den vielen Begegnungen unterwegs. Doch nach seinem Renteneintritt wurde es zunehmend ruhiger um den einst so kontaktfreudigen Mann. Lorang lebt alleine, Familien in der Nähe hat er nicht und nach einem Autounfall vor zehn Jahren war er auch nicht mehr so beweglich wie früher. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte Lorang sich einsam. „Besonders nach meinem Unfall war das Elend erstmal groß“, erzählt er. Ähnlich ging es auch Ingrid Schultz-Tornau, die nach einem Schlaganfall nicht nur zur Frührentnerin wurde, sondern sich plötzlich auch überlegen musste, wie sie ihren neuen Alltag gestalten sollte. „Ich saß damals schon sehr viel zu Hause“, räumt die 55-Jährige ein.

Ein gutes Mittel gegen die Einsamkeit

Der Wunsch etwas zu ändern, führte Lorang und Schultz-Tornau schließlich beide in das Mehrgenerationenhaus des SOS-Kinderdorfs Saar in Merzig. Denn hier gibt es nicht nur einen offenen Treff, sondern auch einen Mittagstisch und die Gelegenheit neue Menschen kennenzulernen.
Das Besondere an der Einrichtung ist ihr offener Charakter. Das Haus ist eine Begegnungsstätte ohne feste Zielgruppe. So treffen in der Einrichtung unter anderem eine stundenweise Kinderbetreuung auf eine Seniorentagespflege und Unterstützungsangebote für Familien. „Ins Mehrgenerationenhaus kommen Menschen unterschiedlichen Lebensalters vom Baby bis zum Hundertjährigen“, erklärt die Leiterin des Hauses Ursula Zeimet. Auch beherbergt die Einrichtung mehrere Ausbildungsprogramme für junge Menschen, die sich unter anderem um die Hauswirtschaft, die Zubereitung des Speisenangebotes und natürlich die  Gäste kümmern. „Man sieht, dass die Generationen sich etwas zu geben haben. Sie haben Freude miteinander umzugehen und  sie bereichern sich gegenseitig, im gemeinsamen Austausch“, so Zeimet.
Dieses Konzept überzeugte auch Werner Lorang von Anfang an. Seit seinem ersten Besuch vor sechs Jahren ist er Stammgast im Mehrgenerationenhaus. Unter der Woche sitzt er jeden Tag an seinem Lieblingsplatz mit Blick auf den Garten, genießt ein frischgekochtes Mittagessen und tauscht sich mit den anderen Gästen aus: „In der Gegend gibt es einfach nicht vergleichbares. Ich habe hier Freunde gefunden, mit denen ich über alles sprechen kann“, sagt er. Auch bietet das Mehrgenerationenhaus ambulante hauswirtschaftlichen Hilfen an. Für Lorang eine gute Absicherung, sollte er seinen Haushalt irgendwann nicht mehr alleine bewältigen können.

„Wie ein zweites Zuhause“

Derzeit schätzt Lorang aber vor allem die tägliche Begegnungen mit anderen Generationen vor Ort. Besonders mit den Auszubildenden unterhält er sich gerne und stellt dabei auch mal persönliche Fragen: „Da geht es nicht darum, den Finger zu heben oder etwas besser zu wissen. Ich will einfach wissen, was die jungen Menschen bewegt“ sagt er.
„Die jungen Leute, bringen einfach mehr Leben rein“, findet auch Ingrid Schultz-Tornau. Sie kommt, seit ihrem ersten Besuch vor sieben Jahren, neben dem Mittagstisch auch regelmäßig zu den Spielerunden und Handarbeitstreffen ins Mehrgenerationenhaus. Seit kurzem engagiert sie sich außerdem ehrenamtlich bei einem Nachhilfeangebot. Wie Werner Lorang hat auch die 55-Jährige hier Freunde gefunden, mit denen sie sich auch außerhalb der Einrichtung regelmäßig trifft. Und noch einen anderen, eher unerwarteten Vorteil haben die regelmäßigen Besuche für sie im Laufe der Zeit gehabt: „Dass ich hier Stricken gelernt habe, hat mir auch mit meiner Motorik nach dem Schlaganfall geholfen. Ich kann meine rechte Hand jetzt schon wieder deutlich besser bewegen“, sagt sie. Sie findet: „Ohne das Mehrgenerationenhaus wäre es traurig.“ 
„Das Mehrgenerationenhaus ist eine Bereicherung für viele Menschen, weil sie hier eine Art Ersatzfamilie finden“, glaubt Ursula Zeimet. Und Werner Lorang bestätigt diese Aussage, wenn er lächelnd sagt: „Für mich ist das Mehrgenerationenhaus wie ein zweites Zuhause.“