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Gelebte Vielfalt bei SOS-Kinderdorf Saar

03. Februar 2021

Das Thema „Diversity“ erhält in der Arbeitswelt eine immer höhere Bedeutung und bringt zahlreiche soziale und strategische Herausforderungen mit sich. Auch das SOS-Kinderdorf Saar beschäftigt sich mit dem Thema .
Merzig, Februar 2021
Beim SOS-Kinderdorf e.V. haben alle Menschen den gleichen Wert unabhängig von Alter, Geschlecht, Behinderung, sexueller, religiöser, politischer Orientierung und ethnischer Zugehörigkeit. „Wir achten Einmaligkeit und leben Vielfalt“ – dieser Satz ist Leitbild und zugleich Handlungsrichtlinie des Vereins seit vielen Jahren. Ganz in diesem Sinne ist das Thema Diversity mit einem eigenen Arbeitspaket Teil der Vereinsstrategie. Bis zum Jahr 2024 sollen Handlungskonzepte entwickelt werden, um das Thema auch in den regionalen Einrichtungen des Vereins zu integrieren.
Wie das Thema in der Einrichtung in Merzig umsetzbar ist, dazu hatte sich im vergangenen Jahr die Leitungsebene des SOS-Kinderdorf Saar Gedanken gemacht.
Wir möchten die soziale und kulturelle Vielfalt unserer Mitarbeiter*Innen als auch Betreuten und Teilnehmer unserer Angebote bestmöglich fördern. Dabei ist es besonders wichtig, dass niemand wegen irgendwelcher Merkmale diskriminiert oder ungerecht behandelt wird”, erklärt Joachim Selzer, Leiter des Kinderdorfes. “Wir haben uns viele Gedanken gemacht, wie wir auch die Mitarbeiter für dieses Thema sensibilisieren können.”
So fand im November 2020 ein Workshop “Umgang mit Vielfalt” im SOS-Mehrgenerationenhaus statt. Aufgrund der aktuellen Hygieneregeln konnten nicht, wie vorgesehen alle Mitarbeiter*Innen, sondern nur acht Personen teilnehmen. Jörn Didas, Geschäftsführer des Adolf-Bender-Zentrums leitete die Veranstaltung.
Ein wichtiger Bestandteil eines jeden Diversity-Trainings ist die Sensibilisierungsphase da, wer neue Denk- und Handlungsweisen erlernen möchte, sich zuerst seiner bestehenden vergegenwärtigen sollte. So wurden die Teilnehmer in einem ersten Schritt zur Reflektion der eigenen Identität aufgefordert. Dabei wurden verschiedene Fragen diskutiert: Welche Identitätsaspekte sind es, die mich selbst ausmachen? Wie identifiziere ich mich selbst und wie identifizieren mich Andere? Welche meiner Merkmale sind sichtbar und welche sind für Andere unsichtbar, wie beispielsweise meine Wertevorstellungen? Welche Identifikationsmerkmale habe ich im Laufe meines Lebens entwickelt und welche wurden mir ohne meine Einwilligung zugeteilt wie z.B. mein Name? Was hat das mit mir gemacht? War ich selbst schon einmal den Vorurteilen Anderer ausgesetzt? Beim Zusammentragen der Identitätsaspekte wurde deutlich, wie riesig die Vielfalt an Merkmalen bereits bei so einer verhältnismäßig kleinen Gruppe ist. Dennoch wurde deutlich, dass sich immer gemeinsame Merkmale finden, die uns alle miteinander verbinden.
Durch ein Rollenspiel im Gruppensetting wurde aufgezeigt, wie unterschiedlich wir Situationen und andere Personen beurteilen und wie leicht es doch passiert, dass wir Andere unbewusst aufgrund unserer individuellen Erfahrungswerte verurteilen. Durch den Austausch miteinander erst, war es möglich, Perspektivwechsel einzunehmen, Schubladen-Denken und andere Identitätskonstruktionen zu erkennen und aufzudecken.
Nach einer nahrhaften Mittagspause ging es dann mit ein wenig Theorie weiter: Hier wurde darüber diskutiert, was Rassismus eigentlich bedeutet, wie der Kulturbegriff definiert ist und weshalb Menschen so schnell auf ihren kulturellen Hintergrund reduziert werden. Herr Didas erklärte, dass Konflikte oft als kulturelle Konflikte interpretiert werden, ohne die Gesamtheit  aus Person, Situation und Kontext zu betrachten.
Diversity-Kompetenz beschreibt daher eine allgemeine soziale Kompetenz, Menschen nicht als Stellvertreter*innen einer bestimmten Gruppe zu behandeln, sondern sie als Individuum wahr- und ernst zu nehmen”, erklärte Jörn Didas.
Dann wurde der Film “a class devided” vorgeführt. Die Teilnehmer des Workshops waren förmlich geschockt über die Beobachtungen, die sie hier machten: Schulkinder, die aufgrund eines willkürlich gewählten Merkmals benachteiligt von ihrer Lehrerin behandelt wurden, zeigten plötzlich auch ein entsprechendes Verhalten. Sie wirkten verunsichert und wurden weniger leistungsfähig. Sie verhielten sich ängstlich oder aggressiv und jegliches negative Verhalten wurde rein auf dieses Identitätsmerkmal zurückgeführt. Die Kinder, die zur privilegierten Gruppe gehörten, verhielten sich selbstbewusst und überheblich als auch abwertend gegenüber der diskriminierten Gruppe, ohne dass sie einen Grund dazu hätten.
Herr Didas erklärte, dass die Bereitschaft, ein derart diskriminierendes Verhalten auszuüben, von drei wesentlichen Faktoren abhänge: Der sozialen Norm, also, ob das Verhalten von einer Mehrheit mitbestimmt ist; wichtige Bezugspersonen, die meist viel Macht haben (Eltern, Lehrer, Politiker...) sowie der Möglichkeit, das Verhalten überhaupt auszuüben (Gelegenheiten, Gesetze, Strafverfolgung).
Nach einer abschließenden Diskussion über die Relevanz des Themas für die eigene Lebens- und Arbeitswelt ging ein spannender und sehr informativer Tag zu Ende.

Impressionen aus dem Workshop "Umgang mit Vielfalt"