Einblicke in den veränderten Alltag unserer Jugendwohngruppen
Auch in unseren Kinder- und Jugendwohngruppen in Detmold hat sich für die 17 Jugendlichen im Alter von 13 bis 18 Jahren und für die Mitarbeiter*innen in den letzten Wochen viel verändert. Haben wir alle miteinander zu Beginn der Corona-Pandemie noch glauben wollen, dass in Kürze alles wieder vorbei ist, dass wir alle bald in unser gewohntes Leben zurück können, so wurden wir doch sehr schnell eines Besseren belehrt. Heute dauern die unterschiedlichen Einschränkungen schon zwei Monate an und ein Ende ist noch nicht absehbar.
© SOS-Kinderdorf e.V. / Sebastian Pfütze
Schulschließungen veränderten den Tagesablauf
Von einem Tag auf den anderen waren wegen der Schulschließungen alle unsere Jugendlichen den ganzen Tag zu Hause. Das veränderte nicht nur ihren Tagesablauf grundlegend, sondern auch die Dienstpläne der pädagogischen Mitarbeiter*innen. Ab sofort galt es, zunächst die Jugendlichen im Rahmen des Homeschooling bei den täglichen Aufgaben für die Schule zu unterstützen und anschließend, im Rahmen der Möglichkeiten, interessante Freizeitangebote zu organisieren.
Vor allem zu Beginn war es wichtig und notwendig, den Jugendlichen immer wieder zu erklären, warum die getroffenen Maßnahmen der Regierung sinnvoll sind. Warum auch sie von den Einschränkungen betroffen sind, obwohl gesunde Kinder und Jugendliche grundsätzlich nicht zu den Risikogruppen gehören. Aber auch unsere Jugendlichen haben Großeltern oder kennen im Umfeld Menschen mit gesundheitlichen Risiken, die es besonders zu schützen gilt. Dafür brachten die Jugendlichen schnell Verständnis auf und es entstand ein Gefühl von Solidarität. So konnten sich alle nach ein paar Tagen gut auf die Situation einstellen und haben die Kontakte nach außen gemieden.
Nach dem Homeschooling an die frische Luft
Innerhalb der Einrichtung hieß es dann, einen Alltag mit festen Strukturen aufrecht zu erhalten. So wurde morgens, zugegeben etwas später als in normalen Schulzeiten, zusammen gefrühstückt und dann wurden, oft am großen Esstisch zusammen, die Aufgaben für die Schule in Angriff genommen. Einiges wurde schriftlich angefertigt, einiges am Laptop erarbeitet, Referate wurden erstellt und vieles mehr.
Nachmittags waren entweder Spaziergänge an der frischen Luft im Wald, Bewegung im Sportraum der Jugendberufshilfen oder Spielen in den verschiedensten Formen (digital und analog) angesagt. Erfreulicherweise spielte das Wetter mit und so konnte der Garten für Federball, Frisbee usw. gut genutzt werden.
Wir sitzen alle in einem Boot
Insgesamt gesehen sind wir bisher ganz gut durch diese Zeit gekommen. Die Jugendlichen helfen sich gegenseitig bei den Aufgaben für die Schule. Der tägliche Druck, den viele von ihnen in der Schule empfinden (z.B. durch Leistungsdruck, schwierigen Umgang mit sozialen Medien, Mobbing etc,), fällt weg und so trat schon nach einigen Tagen innerhalb unseres Hauses eine gelöste Stimmung ein. Das Miteinander in der Einrichtung rückt viel stärker in den Vordergrund, nicht zuletzt weil alle wissen und fühlen: „Wir sitzen alle in einem Boot“, die Jugendlichen genau wie die SOS-Mitarbeiter*innen. Denn auch sie können in ihrer Freizeit nicht tun, was sie tun möchten, auch sie sind den Kontaktbeschränkungen ausgesetzt, auch sie können nicht in den Urlaub fahren oder Angehörige besuchen.
Social Distancing verlangt den Jugendlichen viel ab
Seit einigen Tagen sind die ersten Lockerungen nun in Kraft. Einige der Jugendlichen gehen schon wieder zur Schule, allerdings nur an ein oder zwei Tagen in der Woche. Allerdings haben wir selten erlebt, dass der Schulbesuch so ersehnt wurde, wie in diesen Tagen.
Der Umgang mit den Masken ist inzwischen Standard, die Händehygiene und vieles mehr wurde immer mehr zur Routine. Der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier. Und doch war in den vergangenen zwei Wochen auch deutlich zu spüren, dass eine Abschottung, wie seit März geschehen, immer auch nur eine zeitlich befristete Maßnahme sein darf. Die Pubertät und das Erwachsenwerden bringt vieles mit sich. Freunde treffen, Zeit mit der Clique verbringen, die erste Liebe: das alles steht in diesem Alter absolut im Vordergrund. Darauf zu verzichten ist ein erheblicher Einschnitt ins Leben und verlangt den Jugendlichen wirklich viel ab. Dass sie alle das bisher so toll mitgemacht haben, um andere zu schützen, macht uns stolz auf unsere Jugendlichen.
Text: Anke Schmidt, Bereichsleiterin der Kinder- und Jugendhilfen Detmold, Mai 2020