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Herr Teklegergis Haile besuchte nur für einige Jahre die Schule in Eritrea. Zudem hat er oft im landwirtschaftlichen Bereich mitarbeiten müssen, um die Existenzgrundlage für seine Familie zu sichern. Einen Abschluss hat er nicht gemacht.
Als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling ist er Ende 2014 nach Deutschland eingereist. Zunächst lebte er in einem Wohnheim in Frankfurt. 2015 bis 2016 besuchte er in Fulda eine duale Förderschule. Den praktischen Teil der Schule machte er in einer Schreinerei.
Da seine damalige Freundin nach Detmold ziehen musste, beendete er die Schule vorzeitig und zog mit nach Detmold.
Von Juli 2018 bis Juli 2019 besuchte er das Projekt „Schule macht Arbeit“ und von Juli 2019 bis November 2020 das Projekt „Finde deinen Weg“.
Seit November 2020 arbeitet er in einem Trockenbaubetrieb und ist gerne bereit, uns über seine berufliche Entwicklung Auskunft zu geben.
Das Interview
Herr Teklegergis, wie sind Sie zu dem Projekt gekommen?
Ich habe während meiner Teilnahme von „Schule macht Arbeit“ keinen Arbeits- oder Ausbildungsplatz gefunden. Auf einmal stand ich alleine da. Meine ehemalige Sozialpädagogin meinte, dass die Projektteilnahme gut für mich sein könnte.
Was haben Sie bei „Schule macht Arbeit“ gemacht?
Ich habe dort meinen Hauptschulabschluss nach Klasse 9 gemacht und zwei Praktika beim Tischler und beim Schreiner. Beide Berufe habe ich ausprobiert, aber die Tischlerei wollte keine Leute mehr einstellen. Ich habe mich geärgert, dass sie mir das nicht am Anfang gesagt haben.
Wobei konnte „Finde deinen Weg“ Sie unterstützen?
Bei der Arbeitssuche wurde ich unterstützt und bei meinen Finanzproblemen.
Was nehmen Sie aus dem Projekt mit?
Sie haben mich geweckt! Aufgrund der guten Verpflegung mit Frühstück und Mittagessen und durch die Unterstützung des Jobcenters bin ich gut versorgt gewesen. Sie wollten mich motivieren, ein Praktikum zu machen. Es sind keine blöden Sprüche gekommen, dass ich faul bin, als ich nicht arbeiten gehen wollte. Sie haben nur meine guten Seiten gesehen.
Wie haben wir Sie geweckt?
Nachdem Sie mich vier bis fünf Mal angesprochen haben, was ich erreichen möchte, bin ich aufgewacht. Dann habe ich mir Urlaub genommen. Als ich bei meinem Freund in den Niederlanden zu Besuch gewesen bin, habe ich gesehen, dass er Tag und Nacht gearbeitet hat. Das hat mich berührt. Dann musste ich an Ihre Worte denken, warum ich nicht arbeiten will. Dann habe ich gemerkt, dass ich so nichts erreichen kann. Als ich aus dem Urlaub gekommen bin, habe ich mir vorgenommen, dass ich ein Praktikum mache. Egal wo, Hauptsache arbeiten. Dann habe ich gedacht: sollte es mit einem Praktikum nicht klappen, suche ich ganz normal Arbeit. Praktika, aus denen sich nichts ergeben hat, frustrierten mich. Ich habe Glück gehabt, dass ich nach einem Praktikum in einem Trockenbaubetrieb einen Arbeitsvertrag erhalten habe.
Ist Ihr Freund für Sie also ein berufliches Vorbild?
An erster Stelle ist er mein bester Freund. Er hat mich gebeten Urlaub zu nehmen und wusste, dass ich nichts mache. „Komm zu mir und denke darüber nach. Jeder Mensch arbeitet und du liegst faul auf dem Sofa. Das geht nicht! Mach dir darüber Gedanken“, sagte er. Ich stimmte zu.
Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit?
Ich verstehe mich gut mit den Kollegen. Ich verdiene mein eigenes Geld. Mein Chef unterstützt mich auch bei privaten Dingen. Er ist echt nett. Ich spachtele gerne, befestige gerne Profile und ich kann Wände zuschrauben.
Was sind Ihre Glücksmomente im Projekt gewesen?
An erster Stelle habe ich eine Arbeit gefunden. Zweitens konnte ich mir ein Fahrrad aufbereiten. Drittens habe ich Glück mit meinem Arbeitgeber. Viertens habe ich Glück, beim SOS gewesen zu sein, sonst hätte ich meine Ziele nicht erreicht. Fünftens sind Sie immer freundlich zu mir gewesen und haben mich angelächelt, auch, wenn ich Fehler gemacht habe. So konnte ich in Ruhe nachdenken und bin nicht bestraft worden.
Das Interview mit Herrn Merhawi Teklegergis Haile führte Vera Meise, Sozialpädagogin im Projekt „Finde deinen Weg“.