Im Frühjahr 2022 verloren Zehntausende Familien in der Ukraine ihr Zuhause. Sie flüchteten vor dem Krieg, den Russland vor einem Jahr, am 24. Februar 2022, gegen das Land begonnen hat, in dem sie aufgewachsen sind und in Frieden gelebt haben. Davon betroffen sind auch 5 Kinder, die mit ihren Müttern und einer Ur-Oma hier in Dortmund untergekommen sind. Sie besuchen seit August regelmäßig das Brückenprojekt am SOS-Kinderdorf Dortmund, mit dem wir den Kindern einen Übergang ins Deutsche Bildungssystem ermöglichen wollen.
Die Organisatorinnen und Teilnehmerinnen des Brückenprojektes am SOS-Kinderdorf Dortmund (v.l.): ZEBRA-Leiterin Klaudia Klamann-Yildiz, Kita-Krönchen-Leiterin Lebieba Dydas, Valentyna mit Tochter Sofia, SOS-Sozialpädagogin Lisa Drechsler, Viktoria mit Ur-Oma Ljudmila, Anna und Tochter Ella sowie Oksana mit Tochter Margarita.
© SOS-Kinderdorf e.V.
„Wir sind sehr dankbar, dass wir hier morgens herkommen können, sagt Anna. Sie kommt mir ihrer 4-Jährigen Tochter Ella regelmäßig morgens um 9 Uhr ins Kinderdorfzentrum ins Kaiserstraßenviertel. „Wir kamen letztes Jahr wegen des Krieges in der Ukraine nach Deutschland und fühlten uns erst mal etwas alleine hier. Außerdem waren wir durcheinander wegen der Situation in der Heimat. Das Brückenprojekt war dann eine Insel der Sicherheit für uns und unser Kind. Dadurch hatten wir die Möglichkeit, uns schrittwiese zu integrieren, was wirklich sehr gut für uns war.“
Wichtigstes Anliegen: Integration geflüchteter Menschen
Allein war Anna seit dem Start unseres Brückenprojekts auch nicht mehr. Neben ihr kommen auch Maryna, Oksana, Valentyna und Ljudmila zu uns, gemeinsam mit ihren Kindern bzw. ihrer Urenkelin. Unser kleines Gespräch darüber, wie es Anna und ihrer Tochter bei uns geht, führen wir zwar noch auf Englisch. Annas Deutsch wird aber immer besser. Und das ist eines der wichtigsten Anliegen, die das Brückenprojekt von SOS-Kinderdorf Dortmund hat: Die Integration geflüchteter Menschen, solange sie bei uns leben, vor allem über das Erlernen unserer Sprache. Dabei helfen auch EhrenamtlerInnen wie Barbara Reil, eine ehemalige Lehrerin, die einmal die Woche unser Sprachcafé leitet.
Vorbereitung für den Alltag
Neben dem Erlernen der Sprache ist die Integration der Kinder in Kitas, Schulen und anderen Bildungsangebote zentraler Bestandteil des Brückenprojektes am SOS-Kinderdorf Dortmund. Bisher haben die Teilnehmenden alle noch keinen Kita- oder Tagespflegeplatz für Ihr Kind bekommen, unter anderem wegen der festen Zeiten und Fristen im Vergabe-Prozess.
„Wir bieten den Familien hier eine Art Vorbereitung auf den Alltag, der sie später auch in der Kita erwartet“, sagt Erzieherin Lisa. „Wir treffen uns morgens zu einer festen Zeit, basteln und spielen in der Gruppe oder machen zusammen Sport. Die Eltern und die Ur-Oma können außerdem andere Angebote wie unser offenes Sprachcafé nutzen und ihr Deutsch verbessern. Wir bieten auch Unterstützung beim Ausfüllen von Anträgen und Formularen an, helfen bei der Suche nach Kinderärzten und bieten Zugang zu einer Dolmetscherin. Die Vormittage enden immer mit einem gemeinsamen Mittagessen bei uns im ZEBRA, unserem Zentrum für Begegnung, Rat und Austausch.“
Die Teilnahme am Brückenprojekt ist für die Mütter und ihre Kinder kostenlos. Finanziert wird das Projekt mit Mitteln des Landes NRW. Außerdem hat SOS-Kinderdorf e.V. kurz nach Ausbruch des Krieges Spenden zur Unterstützung Geflüchteter aus der Ukraine gesammelt, mit denen bei uns zum Beispiel das Mittagessen für die Teilnehmerinnen des Brückenprojektes bezahlt wird. „Die Spendenbereitschaft war groß“, sagt Einrichtungsleiterin Gabi Polle, „vor allem zu Beginn des Krieges. Dafür sind wir unendlich dankbar – denn nur so können wir umfassende Unterstützung anbieten, bis die ukrainischen Familien reguläre Betreuungs- und Unterstützungsangebote finden.“
Von Herzlichkeit und Möglichkeiten überrascht
Wie geht es den ukrainischen Familien aktuell, ein Jahr nach Ausbruch des Krieges? Und wie geht es für sie weiter? „Gut“, ist die einhellige Antwort. Auch, wenn die Sorge um ihre Familienangehörigen, die nach wie vor in der Ukraine leben und vom Krieg bedroht sind, nach wie vor Teil ihres täglichen Lebens ist. „Mein Mann und ich waren in Deutschland positiv überrascht über die Herzlichkeit der Deutschen und die vielen Möglichkeiten, die uns gezeigt wurden“, sagt Anna. „Wir mussten wieder bei 0 anfangen, als wir hier angekommen sind. Jetzt bekommt meine Tochter Ella ab August einen Betreuungsplatz hier in der SOS-Kita Krönchen und meine ältere Tochter Emilia geht nach den Ferien auf die weiterführende Schule.“
Die ukrainischen Familien aus dem Brückenprojekt sind also auf einem guten Weg. Trotzdem eint sie alle auch eine große Hoffnung. Dass der Krieg nicht noch ein weiteres Jahr dauert und sie bald irgendwann wieder ein ganz normales Leben mit ihren Familien führen können.