Mit Unterstützung von SOS-Kinderdorf, EU und Land zur „Kinderpflegerin“
© SOS-Kinderdorf e.V.
Im SOS-Kinderdorf Dortmund sind die Mitarbeitenden so vielfältig wie die Kinder, die wir hier betreuen / die bei uns leben. Und genau wie die Kinder erfahren auch die Mitarbeitenden die bestmögliche Unterstützung, um im Leben weiter zu kommen und ihren Platz in unserer Gesellschaft zu finden. Ein aktuelles Beispiel: Halima Dbaghi, 49 Jahre alt, die zurzeit ihre praxisorientierte Ausbildung zur Kinderpflegerin macht. Ermöglicht wird das durch die Initiative „REACT-EU“ der Europäischen Union und die finanzielle Unterstützung des Europäischen Sozialfonds sowie das Landes NRW. Wir möchten Ihnen Halima und ihren spannenden Lebenslauf hier gern stellvertretend für viele Kolleginnen und Kollegen vorstellen und haben sie zum Interview getroffen.
Halima, Du bist in Marokko geboren, hast lange in Italien gelebt und bist 2014 nach Deutschland gekommen. Das klingt nach einem sehr spannenden, außergewöhnlichen Lebenslauf. Möchtest Du uns ein bisschen davon erzählen?
Bis ich 18 Jahre alt war, verlief mein Leben eigentlich eher traditionell. Ich bin in Marokko aufgewachsen und habe als Jugendliche meinen späteren Mann kennengelernt, durch den Bruder einer Nachbarin. Er war Maurer und ist für die Arbeit damals nach Italien gezogen. Als er eine Familie gründen wollte, bin ich ebenfalls nach Italien gezogen. Dort haben wir dann 22 Jahre lang gemeinsam gelebt und vier gemeinsame Kinder bekommen. Nach der Finanzkrise wurde die wirtschaftliche Situation in Italien allerdings immer schwieriger für uns. Vor allem für unsere Kinder gab es kaum berufliche Perspektiven. Deshalb sind wir 2014 dann alle zusammen nach Deutschland gezogen.
Wie war Euer Start hier?
Natürlich nicht so einfach: Neues Land, neue Sprache, neue Kultur. Geholfen hat mir aber sicher, dass ich schon mehrere Sprachen konnte. In Marokko habe ich Arabisch und Französisch gesprochen, das ist die zweite Amtssprache dort. In Italien habe ich Italienisch gelernt und dort auch lange als Übersetzerin gearbeitet, bei Gericht, im Krankenhaus, bei Ärzten und auch in Schulen und Kindergärten.
In Dortmund habe ich dann als erstes einen Sprachkurs in Deutsch belegt und dann auch angefangen zu arbeiten. Zuerst in einem Pflegedienst und dann im Bettenlager eines Krankenhauses in der Nähe unserer Wohnung.
Und was hat Dich dann zu uns, zum SOS-Kinderdorf, gebracht?
Das war ein bisschen Zufall und ein bisschen Glück. Auf dem Weg zur Arbeit ins Krankenhaus bin ich jeden Tag am SOS Kinderdorf an der Kronprinzenstraße vorbei gegangen und fand spannend, was da entstanden ist. Vor allem die Kita fand ich toll, weil ich auch in meiner früheren Arbeit immer wieder mit Kindern zu tun hatte. Also habe ich dort einfach eines Tages gefragt, ob ich dort arbeiten kann.
Was heißt „einfach gefragt“? Bist Du einfach rein gegangen und hast jemanden angesprochen?
Ja, das hab ich gemacht (lacht). Mein Glück war natürlich, dass Lebieba (Dydas, die Leiterin der Kita), ebenfalls Arabisch kann. Das hat das erste Gespräch und die Verständigung viel leichter gemacht. Und mein zweites Glück war, dass durch die Corona-Pandemie zusätzliche Stellen als Alltagshelferin für den Bereich Hygiene frei waren. So eine Stelle habe ich dann im Februar 2022 bekommen. Das war mein Start bei SOS-Kinderdorf.
Und wie hat sich das dann weiterentwickelt, wie bist Du zu Deiner jetzigen Ausbildungsstelle gekommen?
Nach sechs Monaten ist der Vertrag als Alltagshelferin ausgelaufen. Ich wollte aber gern bleiben, weil mir die Arbeit hier mit den Kolleginnen und Kollegen und natürlich auch mit den Kindern so viel Spaß gemacht hat. Und offenbar war meine Chefin Lebieba auch zufrieden mit meiner Arbeit, denn sie hat dann angefangen nach Möglichkeiten zu suchen, mich weiter zu beschäftigen. Und dann hat sie gesehen, dass es mit einer Förderung des Landes NRW und der EU die Chance gibt, eine Ausbildung zur Kinderpflegerin zu machen.
Du warst da ja schon Ende vierzig. Wie war das für Dich, vergleichsweise spät im Leben noch mal eine Ausbildung anzufangen?
Ich wollte das sofort machen, weil mir die Arbeit hier bei SOS-Kinderdorf wirklich gut gefallen hat und ich das auf keinen Fall aufgeben wollte. Aber ich habe mir natürlich auch Sorgen gemacht: Bin ich schon zu alt? Nochmal zur Berufsschule gehen und lernen – kann ich das noch? Mein Deutsch ist immer noch nicht perfekt und in der Schule könnte das schwierig werden… Aber Lebieba und meine Kolleginnen und Kollegen haben mir immer Mut gemacht und helfen mir auch, wenn ich mal Unterstützung brauche.
Und wie kommst Du bisher so zurecht?
Also der Praxisteil hier in der Kita ist gar kein Problem, auch die Lehrbesuche der Lehrer sind immer gut gelaufen. In der Schule ist das schon schwieriger. Ich kann zwar alles gut verstehen, aber selbst Berichte zu schreiben ist schwer für mich und ich muss viel lernen. Ich bekomme aber Nachhilfe mit einem Bildungsgutschein und auch meine Lehrerin und meine Mitschüler sind alle sehr lieb und helfen mir. Zum Glück sind auch noch andere „Omas“ in meiner Klasse, die älteste ist 53. Das macht mir auch immer wieder Mut (lacht).
Kannst Du beschreiben, was Du in der Ausbildung bisher gelernt hast?
Vieles kannte ich schon ein bisschen von meiner bisherigen Arbeit und aus dem Alltag hier in der Kita, vieles ist aber auch neu dazugekommen oder vertieft mein bisheriges Wissen. Wir haben unter anderem Sozialpädagogik und Gesundheitspflege, lernen aber auch viel über die Kommunikation mit Kindern. Zum Beispiel wie viel Kontakt gut ist und welche Grenzen wir setzen müssen. Wir lernen auch, wie wir mit Kindern Musik machen und singen, das macht mir besonders Spaß. Außerdem finde ich gut, dass ich an der Schule Englisch lerne. Mathe ist dagegen nicht unbedingt meine Stärke... (lacht).
Spulen wir mal ein bisschen vor: Im Sommer 2024 bist Du fertig mit Deiner Ausbildung. Hast Du schon eine Idee, was Du dann damit machen möchtest?
Am liebsten würde ich hier bei SOS-Kinderdorf in Dortmund bleiben und Vollzeit als Kinderpflegerin arbeiten. Ich fühle mich hier sehr wohl und bin sehr dankbar, dass ich die Chance bekommen habe, diese Ausbildung zu machen. Ich kann da wirklich jedem nur Mut machen: Als ich bei SOS-Kinderdorf angefangen habe, hatte ich natürlich keine Ahnung, dass sich hier auch eine richtige Ausbildung ergeben würde. Manchmal muss man einfach anfangen und dann ergeben sich im richtigen Umfeld mit den richtigen Kolleginnen und Kollegen solche Möglichkeiten. Natürlich ist das nicht immer einfach, zwei Töchter leben noch bei mir und die Schule ist manchmal schwer. Aber mich unterstützen hier wirklich alle und dafür lohnt sich auch jede Anstrengung. Manchmal fühlt es sich noch an wie ein Traum, dass das alles so geklappt hat.
Dann wünsche ich Dir weiter alles Gute und viel Erfolg!
Danke!

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