„Wir brauchen ein Aufholprogramm für mehr Chancengerechtigkeit“
Die Corona-Pandemie hat soziale Ungerechtigkeiten in Deutschland noch weiter verschärft. Vor allem benachteiligte Kinder und Jugendliche sind aus dem Blickfeld geraten. Ihre Chancen auf Bildung und Teilhabe wurden durch zahlreiche Maßnahmen massiv eingeschränkt und ihre Anliegen während der Pandemiebekämpfung vernachlässigt.
Mit den in Aussicht gestellten Lockerungen und dem nahenden Frühling wird es höchste Zeit, Kinder und Jugendliche prioritär in den Blick zu nehmen und nun alle Maßnahmen darauf zu fokussieren, ihnen nach zwei Jahren Pandemie ein umfassendes Aufholprogramm für bessere Zukunftschancen anzubieten.
Zum Tag der sozialen Gerechtigkeit am 20. Februar erklärt Prof. Dr. Sabina Schutter, Vorstandsvorsitzende von SOS-Kinderdorf e.V.:
Prof. Dr. Sabina Schutter, Vorstandsvorsitzende von SOS-Kinderdorf e.V.
© SOS-Kinderdorf e.V. / Andre Kirsch
„Die Corona-Pandemie hat einmal mehr gezeigt, dass Kinder aus sozial schwächeren Verhältnissen in Deutschland keine fairen Chancen haben: Für das Home Schooling ist es nun einmal relevant, ob sich Eltern moderne Laptops leisten können oder ob ein Kind sein eigenes Zimmer hat, um in Ruhe zu lernen. Ganz davon zu schweigen, ob Eltern ihren Nachwuchs bei anstehenden Aufgaben unterstützen oder sich gar Nachhilfe leisten können. Kinder, die sowieso schon benachteiligt waren, wurden weiter abgehängt. Ein Gegensteuern war zu keinem Zeitpunkt erkennbar. Von sozialer Gerechtigkeit ist Deutschland noch immer weit entfernt.
Daher brauchen wir auch ein Aufholprogramm für Chancengerechtigkeit. Wir erwarten von der Politik, dass die Belange von Kindern und Jugendlichen im Post-Omikron-Frühling im Mittelpunkt der politischen Anstrengungen stehen: Es muss jetzt prioritär darum gehen, jungen Menschen wieder bessere Zukunftschancen aufzuzeigen. Wir brauchen niedrigschwellige psychologische Unterstützungsangebote, um Kinder aufzufangen. Denn viele haben in der Pandemie Kontakte verloren, sind einsam und psychisch belastet. Wir brauchen Investitionen für ein krisenfestes und zukunftssicheres Bildungssystem, in dem Bildung als umfassendes Angebot ausgestaltet ist. Schulen müssen zu flexiblen Lernräumen werden, in denen Kinder sich wohlfühlen und die auf Krisen vorbereitet sind. Nicht zuletzt benötigen wir gut ausgestattete außerschulische Angebote, die Kindern wieder Selbstbewusstsein und Freude vermitteln. Diese Angebote müssen für alle Kinder unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten der Eltern zur Verfügung stehen und auch ihre Familien einbeziehen.“