SOS-Familien- und Beratungszentrum feiert Jubiläum

Landsberg, 17. Oktober 2019

Mit einem Festvormittag und einem Tag der offenen Tür begeht die Landsberger Landsberger Beratungs- und Frühförderstelle ihr 40-jähriges Bestehen. Zahlreiche Gäste gratulieren und feiern mit.
Mit einem Festvormittag mit Grußworten und Vorträgen zum Thema Kinderrechte startete das SOS-Familien- und Beratungszentrum Landsberg seine Feierlichkeiten zum 40. Jubiläum. „Wir im Landkreis sind stolz auf das SOS-Kinderdorf“, betonte Landrat Thomas Eichinger in seiner Laudatio vor über hundert Fest- und Ehrengästen im Alten Rathaussaal in Landsberg. Und er verband ein Dankeschön mit der Bitte, zum Wohle der Familien auch in Zukunft mit der guten Arbeit nicht nachzulassen. Auch die zweite Bürgermeisterin der Stadt Landsberg, Doris Baumgartl, zeigte ihre Wertschätzung, dass Kinder, Jugendliche und Familien im Landkreis mit ihren Problemen nicht allein gelassen werden. Sie lobte die frühzeitige und kostenfreie Hilfe und bekräftigte, dass die Stadt das SOS-Familien- und Beratungszentrum gerne unterstütze.
Eine Einrichtung, zwei Schwerpunkte
Das SOS-Familien- und Beratungszentrum, das laut SOS-Regionalleiterin Maria Schwarzfischer, in Menschenleben gerechnet mitten im Leben steht, hat schon eine bewegte Geschichte hinter sich.
Die Einrichtung, deren Aufgabenfeld eher untypisch für den Verein SOS-Kinderdorf ist, beherbergt zwei fachlich unabhängige Einrichtungsteile: Die interdisziplinäre Frühförderung sowie die Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern. Die Frühförderung, die vor rund 40 Jahren vom Lebenshilfe-Verein übernommen wurde, hilft Kindern mit Entwicklungsrisiken und Integrationsschwierigkeiten. Eltern und ihre Kinder bis zur Einschulung werden unter anderem in Einzelgesprächen, durch medizinisch-therapeutische und heilpädagogische Förderung, in Mutter-Kind-Gruppen, in einer Schreibabyambulanz, durch eine Familienhebamme und im Rahmen eines Kindergartenfachdienstes unterstützt. „Die Fallzahlen steigen ständig an, das macht uns auch ein wenig nachdenklich“, bemerkt Elke Wimpelberg, Leiterin der Frühen Hilfen und Frühförderung in ihrer Jubiläums-Ansprache. Andererseits deute dies auch auf ein zufriedenstellendes Angebot hin. „Voller Dankbarkeit sehen wir heute, was war und ist und schauen voller Zuversicht in die Zukunft“, beendet sie ihre Grußworte.
Zu Wort kam auch Margit Erades-Peterhoff. Sie leitet die Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern und die Fachstelle SeM. Dass in den 40 Jahren schon vier Generationen von Familien, Kindern und Jugendlichen beraten wurden, macht sie stolz. Kinder, Jugendliche, Eltern und ganze Familien können sich mit ihren Sorgen und Nöten, sei es Scheidungen, Probleme miteinander oder mit der Schule, an die Einrichtung wenden oder an verschiedenen Angeboten teilnehmen. „40 Jahre aktives Zuhören, kreative Lösungen in scheinbar unlösbaren Situationen finden und sich mit den Klienten freuen“, sind laut Erades-Peterhoff die Erfolge einer halben Millionen Beratungsstunden. Gewachsen ist die SOS-Familien- und Beratungsstelle im Jahr 2000 um den Familientreffpunkt MiniMax sowie 2016 um die Fachstelle SeM - für Opfer von sexuellem Missbrauch.
Kinderrechte als Dach
Bei allen Angeboten von SOS-Kinderdorf, seien es die Kinderdorffamilien oder in diesem besonderen Fall in Landsberg die Beratung und Frühförderung, spielen die Kinderrechte eine übergeordnete Rolle. Aus diesem Grund wurden die Fachvorträge des Festvormittags diesem Thema gewidmet. Zu Wort kamen der Leiter des Landsberger Jugendamtes Peter Rasch, Marco Schraud von der Aktionsgemeinschaft Sozialisation AGS Würzburg und Dr. Karen Silvester von der SOS-Botschaft für Kinder in Berlin.
Der Jugendamtsleiter verriet aus seinem persönlichen Erfahrungsschatz mit den eigenen Kindern, dass diese über Kinderrechte in der Schule informiert werden. „Daher weiß ich, dass unsere Kinder ihre Rechte nicht immer richtig wahrnehmen, z.B. das Recht gelegentlich die Spülmaschine ausräumen zu dürfen oder das Recht, freiwillig zu duschen“, scherzte er augenzwinkernd. Nachdem er dem Publikum die UN-Kinderrechte kurz und anschaulich darlegte, bemerkte er, dass nur ein Blick in die Tagesschau genüge, um auf Kinderrechtsverletzungen zu stoßen – sei es, dass in Afghanistan Mädchen nicht zur Schule gehen dürften, im Süd-Sudan Kinder verhungerten oder in Deutschland ein Kinderpornoring zerschlagen werde. Es sei noch ein weiter Weg, allen Kindern auf dieser Erde zu ihrem Recht zu verhelfen, so Rasch. Aber jeder von uns könne morgen schon damit beginnen, war sein Fazit.
Der Weg der Kinderrechte
Aus Theorie und Praxis berichtete Marco Schraud. Er schildert die Entwicklungsgeschichte der Kinderrechten und deren heutige Interpretationen und Verortung. „Die Kinder selbst können ihre Rechte nicht formulieren, wir müssen es für sie tun,“ so Schraud. Als Bildhauer begleitete er von 2013 bis 2018 das Projekt „Weg der Kinderrechte“ mit Schülern der Mönchbergschule, einer Grund- und Mittelschule mit deutschen und nicht-deutschen Schülern in Würzburg. Um den jungen Leuten über den Weg der kulturellen Bildung ihre Rechte zu verdeutlichen, wurde jeweils mit einer Klasse ein Themenstein erarbeitet und fertiggestellt. Es entstand mit den Kunstwerken ein „Weg der Kinderrechte“ der im Jahr der Landesgartenschau 2018 in Würzburg eröffnet wurde. Bewegt hatte Schraud insbesondere der offene Umgang der ausländischen Mitschüler, die sehr persönlich über ihre Rechte aus ihrem eigenen Kulturkreis sprachen.
Eindrucksvoll war auch der Vortrag von Dr. Karen Silvester. Auch sie hat viele Kontakte zu Flüchtlingskindern und -jugendlichen und hinterfragt die Einhaltung derer Rechte im Rahmen von restriktiven Behördenmaßnahmen und in Ankerzentren. „Was mich am meisten bewegt: Sie haben hier in Deutschland gekämpft und hart an sich gearbeitet – und dann dürfen sie nicht bleiben!“ Sie lässt in einem kurzen Film den Flüchtlingsjungen Faisal vom neu gegründeten Kinder- und Jugendrat in der Botschaft für Kinder in Berlin zu Wort kommen. Faisal steht für die vielen minderjährigen Flüchtlinge, die SOS begleitet hat und berichtet, was Kinderrechte für Menschen bedeuten, die nicht aus Deutschland kommen. „Das beste Recht nützt nichts, wenn es nicht gelebt wird“, so die Referentin und erinnert an ein Leitbild von SOS-Kinderdorf: „Wir unterstützen und ermutigen Menschen, ihre eigenen Möglichkeiten und Kräfte zu entdecken, sich zu selbstbewussten und solidarisch handelnden Menschen zu entwickeln und selbstbestimmt zu handeln.“ Dazu werde, so Silvester, im Landsberger Familien- und Beratungszentrum ganz viel Arbeit geleistet.
Großes Familienfest rundet Jubiläum ab
Damit auch die Eltern und Kinder das 40-jährige Jubiläum mitfeiern konnten, richteten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Familien- und Beratungszentrums am Tag darauf einen bunten Familiennachmittag aus: Die Kinder nahmen an einer Hausrallye teil, ließen sich schminken und erhielten Klebe-Tattoos, gestalteten Taschen, bastelten und malten. Sie sammelten Stempel bei jeder Station und durften am Ende ein Geschenk aussuchen. Die Erwachsenen trafen sich bei Kaffee und Kuchen, erzählten und lachten. Viele der Besucher kommen regelmäßig, haben hier Krisen mit ihren Kindern und Jugendlichen überstanden, haben Freundschaften geschlossen, viele haben hier die deutschen Sprache in Gemeinschaft erlernt, mit anderen ihre Erfahrungen ausgetauscht und mit Hilfe der Mitarbeiter familiäre Herausforderungen gemeistert. Eine Mutter bekräftigte: „Das Familien- und Beratungszentrum ist in Landsberg eine zentrale Einrichtung, die für uns Familien nicht mehr wegzudenken ist!“