Integration auf dem Fußballplatz

17. September 2019

Junge Flüchtlinge aus den SOS-Kinderdorf-Einrichtungen in Landsberg und Kaufering spielen erfolgreich Street-Fußball. Ihr Trainer ist ein junger Afghane, der am liebsten Fußball-Profi werden möchte.
Loß geht’s, Jungs!“ Nangyalay klatscht in die Hände. Er unterbricht die regen Diskussionen, teilt die rund zehn jungen Männer mit Fußballschuhen und gelben Trikots in zwei Mannschaften ein, verteilt Laibchen für die einen und nimmt Aufstellung an der Mittellinie. Wie jeden Mittwoch trainieren die Jungs – die meisten von ihnen kamen als unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge vor ein paar Jahren in die SOS-Kinderdorf-Einrichtungen in Landsberg und Kaufering – auf der Kunstrasenanlage am Freibad in Landsberg. Ihr Trainer ist der 19 Jahre alte Nangalay aus Afghanistan. Er trainiert Fußball seit seinem achten Lebensjahr, zunächst in Afghanistan und seit vier Jahren in Deutschland. Hier spielte er schon in München, Augsburg und Landsberg, aktuell für den FC Pasing – und eben Street-Fußball in der SOS-Mannschaft.

Sport unterstützt die soziale Integration

Ins Leben gerufen wurde die Mannschaft vor rund drei Jahren von Sozialarbeiter Patrick Krompholz. Schon vor Jahren hatte er eine Fußballmannschaft in einer Suchteinrichtung, für die er damals arbeitete, gegründet und diese dem Verein „Anstoß! Vereinigung für Soziale Integration durch Sport“ angegliedert. Der Verein unterstützt mit Hilfe des Sports die soziale Integration von Menschen aus Randgruppen. Turniere innerhalb und außerhalb Deutschlands werden initiiert und gefördert. Als so viele junge Flüchtlinge vor einige Jahren nach Deutschland kamen, sind sie als Personenkreis hinzugekommen. „Und haben das Spielniveau deutlich angehoben“, so Krompholz, der die Jungs bis vor einem Jahr auch ehrenamtlich trainierte, den „Job“ aber aus zeitlichen Gründen an den jungen Afghanen Nangyalay abgab. Gespielt wird nach den Regeln des Straßenfußballs, auf Kleinfeld mit  fünf Spielern und einem Torwart. Im Rahmen des Sozialsports finden alle vier bis sechs Wochen Turniere statt, sogar eine Deutsche Meisterschaft und ein Weltcup – der sogenannte Homeless World Cup. Beim Rotary Cup im Juli in Dießen gewann das Landsberger Team kürzlich.

„Das Team gewinnt, nicht der einzelne“

Für Sozialarbeiter Krompholz ist Fußball ein gutes pädagogisches Werkzeug, um Menschen zu erreichen und zu integrieren. „Das Team gewinnt, nicht der einzelne“, so Krompholz. „Es geht darum gemeinsam zu gewinnen sowie zu verlieren und auf dem Platz füreinander da zu sein.“ Daher interessierte sich der ehemaligen Trainer nicht für Nationalitäten und Streitigkeiten, die bei der bunten Mischung von Spielern gerne auch mal aufkommen. Teamfähigkeit und aufrichtig mit Konflikten umzugehen, hätten die Jungs gelernt. Auch sind feste Freundschaften entstanden: „Bei einigen Spielen kommt der Torwart der Mannschaft extra aus Kiel angereist. Er ist ein ehemals obdachloser Deutscher und deutlich Älter als die Jungs.“ Fasziniert ist Krompholz auch davon, wie schnell und gut die Jungs die Sprache gelernt haben. In den ersten drei bis vier Monaten des Trainings sei auf Englisch und mit „Händen und Füßen“ gesprochen worden. Doch dann wurde untereinander nur noch auf Deutsch geredet.
Der Kontakt zueinander, das gemeinsame Spiel und das sportliche Engagement halfen den Jungs sicher über die eine oder andere Schwierigkeit hinweg. Alle kamen als Minderjährige, oft mit 14 oder 15 Jahren, nach Deutschland. Sie haben alle viel erlebt, sind traumatisiert durch Krieg, Flucht und weil sie ihre Familien oft im Ungewissen zurückgelassen haben. „Nanagyalay hat zum Beispiel keinen Kontakt zu seiner Familie, denn es könnte gefährlich für alle Beteiligten sein, wenn die Taliban von der Kontaktaufnahme des Flüchtlings erfahren“, erklärt SOS-Kinderdorf-Mitarbeiterin Angelika Hammer-von Au. „Er hat viel zurückgelassen und dafür in Deutschland einen unglaublichen tollen Weg zurückgelegt!“ Nanagyalay, der seinen Trainerjob sehr ernst nimmt, hat vor einem Jahr sein Quali an der Mittelschule Kaufering geschafft. Derzeit macht er bei einem Baumarkt eine Lehre und wenn diese im Herbst abgeschlossen ist, hat er schon einen Anstellungsvertrag in der Tasche. „Ich denke immer positiv“, erklärt der junge Mann, der am allerliebsten Profifußballer werden würde. Dann läuft er zurück aufs Spielfeld, zu Nesit, Ephraim Awet, Afoma, Lathfula, Yordan und den anderen!
Text und Fotos: Mareike Spielhofen