
Vera, Joy, Violetta und Tina (von links nach rechts) aus der „Dienstagsgruppe“ von Elterntalk finden anhand von Bildkarten einen lockeren Zugang ins Gespräch über Fernsehkonsum.
© SOS-Kinderdorf e.V. / Foto: Mareike Spielhofen
Bei „Elterntalk“ treffen sich Mütter und Väter, um sich gezielt über Themen rund um Kindererziehung und Familie auszutauschen
„Eine Portion Humor gehört auch zu einer guten Kommunikation mit dem Partner!“ Darüber sind sich Gilberta, Anja und Julia einig. Sie sitzen mit Moderatorin Graziella Simeone-Papandrea in lockerer Runde um einen reich gedeckten Kaffeetisch im Familientreffpunkt MiniMax in Landsberg und reden über die Kommunikation mit ihrem Partner. Zu ihren Füßen spielen mehr oder weniger friedlich zwei kleine Jungs mit dem für sie ausgebreiteten Spielzeug. Hin und wieder stecken kleine Mädchen den Kopf durch die Tür, entweder um sich über die andere zu beschweren oder um noch Salzstangen zu ergattern. Die drei Frauen managen dies gekonnt nebenher und wenn das Gespräch doch mal zum ständigen Hunger der Kleinen oder zu Kinderkrankheiten abschweift, führt Graziella gezielt zurück zum Tagesthema. „Überträgt sich eine gute Kommunikation mit dem Partner auf die Kinder?“
Elterntalk nennt sich das bayernweite Projekt der Aktion Jugendschutz, das mit Mitteln des Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales sowie des Bayrischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege gefördert wird. Die Idee ist, dass Mütter und Väter von Kindern zwischen 0 und 14 Jahren ihre Erfahrungen bei den Themen Medien, Konsum, Erziehung und Suchtvorbeugung austauschen. Denn Eltern haben zwar einerseits eine Menge Erfahrung in Erziehungsfragen, doch oft bestehen Unsicherheiten. So hilft es, zu erfahren, dass es anderen ähnlich geht, oder andere Sichtweise und Strategie anzuhören. „Viele fühlen sich aufgefangen. Die Probleme werden hier zwar nicht direkt gelöst, aber die Eltern können darüber reden und es wird ihnen zugehört“, so Graziella. Sie moderiert einige Elterntalks im MiniMax Landsberg.
In lockerer Runde, aber dennoch auf das Thema fokussiert, sprechen Gilberta, Anja, Moderatorin Graziella und Julia (von links nach rechts) über das Thema Kommunikation mit dem Partner. Zu hören, wie es anderen Eltern mit diesem und ähnlichen Themen rund um die Familie geht, ist für die Mütter und Väter beim Elterntalk erleichternd und bringt neue Perspektiven.
© SOS-Kinderdorf e.V. / Foto: Mareike Spielhofen
Die Talks finden in kleiner Runde entweder Zuhause oder in Wohnortnähe, also in diesem Fall im vom SOS-Familienzentrum betriebenen MiniMax in Landsberg, statt. Der Vorteil hier: die Kinder werden in der Zwischenzeit betreut. Denn einer der Grundsätze beim Elterntalk ist, dass die Kinder mitgebracht werden können.
Oft bilden sich die Gruppen mit Müttern und Vätern, die sich vorher schon kannten oder sogar befreundet waren. So auch bei der „Freitagsgruppe“, die eigentlich aus sechs Frauen besteht. Die Frage, warum sie sich so offiziell treffen ist gleich beantwortet. „Um strukturiert über diese Brennpunktthemen zu sprechen“, so Anja. Die Frauen in dieser Gruppe befinden sich alle in einer ähnlichen Lebenssituation: in ihrer Rolle als Mutter sind sie aus einem guten Job ausgestiegen, pausieren oder arbeiten Teilzeit und haben ihre Karriere ein Stück weit für die Familie zurückgestellt.
Etwas anders ist die Situation in der „Dienstagsgruppe“. Hier treffen sich Vera und Joy, zwei Nigerianerinnen die lange Zeit in Italien gelebt haben, mit Violetta, die ursprünglich aus dem Kosovo stammt, und Tina aus Indien. Es ist eine bunt gemischte Gruppe fröhlicher, starker Frauen, die allein schon durch ihren Migrationshintergrund teils mit schwierigen Lebenssituationen zu kämpfen haben. Einige sprechen ein gutes Deutsch, doch für die ein oder andere ist es einfacher, englisch zu sprechen oder sich mit Kursleiterin Graziella, die aus Italien stammt, auf Italienisch zu unterhalten. Graziella ermutigt Joy, sich auf Deutsch auszudrücken, als es um das Thema „Fernsehen“ geht. Konzentriert formuliert die fünffache Mutter, wie der Fernsehkonsum bei ihr zu Hause gehandhabt wird. Es ist ein Stück weit die deutsche Sprache, die sie sich in diesem geschützten Rahmen traut zu sprechen. Aber auch die Themen sind heikel und oft sehr privat. Dass die Frauen harmonieren und sich untereinander vertrauen, kann man in beiden Gruppen spüren.
Seit Projektstart 2001 nahmen rund 100.000 Eltern an diesen bayernweitern Gesprächsrunden teil. Seit 2015 gibt es Elterntalk auch im Landkreis Landsberg. Regionale Ansprechpartnerin ist Alexandra Brown vom SOS-Familientreffpunkt MiniMax. Sie schult auch die Moderatoren der Talkrunden.
Zurück in der „Dienstagsgruppe“ sind sich die Frauen schnell einig, dass nicht der Fernseher das Problem darstellt, sondern das Handy, auf dem die Kinder unkontrolliert YouTube-Videos anschauen können. Unabhängig von ihrer Lebenssituation stehen alle Eltern vor vergleichbaren Herausforderungen mit ihren Kindern, Partnern und im Familienleben. „Ich möchte die Eltern auffangen und ihnen signalisieren, dass sie so sein dürfen, wie sie sind“, so Graziella. Dann lacht sie: „Dabei steuere ich die Gespräche ein Stück weit, ich bin aber nicht der Kapitän!“ Und im Anschluss an die „Talks“ hilft sie auch schon mal, ein Formular von Behörden zu übersetzen, sich privaten Kummer anzuhören, oder ein Baby zu trösten, während die Mama sich in Ruhe ihre Jacke anzieht.