Die beispielhafte Geschichte eines Straßenmädchens während des Ausbruchs der Virus-Pandemie
Sina, 18 Jahre alt, macht seit zwei Jahren ‚Platte‘ in Freiburg. Das heißt, die Straße ist ihr Zuhause, 24/7, wie man so schön sagt. Warum eben diese von einem Tag auf den anderen wie leergefegt aussieht? Sie versucht über ihr altes Smartphone Kontakt zur Welt aufzunehmen, aber der Akku ist leer und weit und breit keine Steckdose in Sicht. Von Internet ganz zu schweigen.
Zusammen mit drei Bekannten, mit denen sich Sina den Schlafplatz teilt – und die auf sie und sie auf die anderen Acht gibt – steuert sie ihren Arbeitsplatz an. Meist bleibt ihnen nicht viel anderes übrig, als Passanten um eine kleine Spende zu bitten, doch heute bleibt der sogenannte Schnorrbecher leer. „Mist“, denkt sie, während ihr Magen verdächtig laut knurrt, „kein Frühstück, dann vielleicht doch erstmal eine Toilette suchen, um mich endlich mal wieder waschen zu können?!“
Auch das bleibt allerdings erfolglos, sämtliche Türen scheinen geschlossen. „Filmreif, die absolute Geisterstadt“, die rasselnden, stockenden Atemgeräusche ihres Kumpels Karli holen sie zurück. „Wenn du nicht sowieso schon krank bist, dann macht dich die Straße krank“, spinnen sich Sinas Gedanken selbständig fort, „Frühstück hin oder her, er braucht seine Medikamente, sobald wir ein paar Euros zusammen kriegen“.
Die nächsten Stunden bringen nichts Neues. Bis ein Streetworker auf seinem Weg durch die stillen Gassen bei ihnen stoppt und endlich Klarheit in die Sache bringt – eine Virus-Pandemie und öffentliche Restriktionen zur Eindämmung. „Aha“, sagt Sina, und weiß noch nicht so recht, was da auf sie zukommt. Fast zeitgleich hält ein Polizeiwagen neben ihnen. Man solle den Platz verlassen und dürfe sich nur noch in Zweiergruppen in der Öffentlichkeit bewegen, besser wäre es, zuhause zu bleiben. Sina kichert nervös, „das ist mein Zuhause! Wo soll ich sonst hin? Und ich werde ganz bestimmt nicht meine Familie hier verlassen“. Sie zeigt ringsum auf ihre Weggefährten und ganz langsam steigt eine Panik in ihr hoch, von der sie dachte, sie hätte sie ein für alle Mal hinter sich gelassen. Sina ist froh, dass sie nicht allein ist, die Streetworker versprechen zu helfen.