Interview

07. März 2018

„Es kann einem kaum etwas Schlimmeres passieren, als auf der Straße leben zu müssen“

Erstmals mit dem Thema Wohnungslosigkeit beschäftigt hat sich Daniel Philipp in seinem Studium der Sozialen Arbeit. Dank eines sechsmonatigen Praktikums in der Freiburger StraßenSchule erhielt er einen direkten Einblick in die Lebenswelt wohnungsloser junger Menschen. Im Interview erzählt Daniel, warum das Praktikum ihn in seiner Studienwahl bestätigt hat. 
Du studierst Soziale Arbeit an der Evangelischen Hochschule Freiburg. Warum hast du dir als Schwerpunkt das Thema Wohnungslosigkeit ausgesucht? Gab es schon vor Studienbeginn Berührungspunkte?
Die Straßenschule war mir bereits ein Begriff, bevor ich mit dem Praktikums begonnen habe. Zum einen kannte ich einige Leute aus dem Team, zum anderen stand während des ersten Semesters ein Praxisbesuch in der Straßenschule auf dem Programm.
Das Thema Wohnungslosigkeit interessiert mich, weil es viele verschiedene Problemlagen beinhaltet. Aus meiner Sicht kann einem kaum etwas Schlimmeres passieren, als auf der Straße leben zu müssen. Dieser Gedanke treibt mich an, mich in dem Bereich zu engagieren. Ich möchte wohnungslose Menschen, insbesondere die jüngeren, unterstützen und ihnen helfen, aus ihrer oft schwierigen Situation wieder herauszukommen.
Du bis vor sechs Monaten ins Praktikum eingestiegen. Gab es da für dich den berühmten Praxisschock?
Von Schock zu sprechen, das wäre übertrieben. Aber ich hatte vermutet, dass es zwischen Theorie und Praxis eine gewisse Diskrepanz geben würde. Genau so war es dann auch. Mir ist schnell aufgefallen, dass man nicht einfach mit einer Art „Werkzeugkoffer“ an die Leute herantreten kann. Jede Person benötigt individuelle Unterstützung.
Eigentlich war der Schock eher positiv. Ich hätte nicht gedacht, dass mich die wohnungslosen jungen Leute so schnell als neuen Praktikanten im Team akzeptieren würden. Eher hatte ich befürchtet, dass ich mich erst einmal beweisen muss. Stattdessen wurde ich nach kurzer Zeit sehr herzlich aufgenommen. Anfangs wurde man zwar ein wenig von den vielen neuen Aufgaben „erschlagen“, aber das Team hat mich von Beginn an sehr unterstützt.   
Warst du eigentlich in alle Projekte und Tätigkeitsbereiche gleichermaßen involviert?
Mit Ausnahme der Wohnprojekte war ich in alle Arbeitsbereiche eingebunden. An drei Tagen in der Woche stand das klassische Streetwork im Vordergrund, ich war also auf der Straße unterwegs. Viermal pro Woche hatte ich Dienst in der Anlaufstelle, und immer dienstags habe ich gemeinsam mit einer Sozialpädagogin die Schüler des Projekts Werkstattschule auf dem Mundenhof betreut. Mit eingebunden war ich auch in verschiedene Veranstaltungen, beispielsweise in die Vernissage im Museum für Neue Kunst. Auch diverse Infostände habe ich mit betreut.     
Gab es Aspekte im Arbeitsalltag, die dich überrascht haben oder die du nicht erwartet hättest?
Überrascht hat es mich nicht wirklich, aber ich habe das Gefühl, dass die Anzahl der Fälle, in denen psychische Belastungen eine Rolle spielen, in letzter Zeit zugenommen hat. Das Leben auf der Straße geht nicht spurlos an den Menschen vorbei. Das wirkt sich meiner Meinung nach zwangsläufig auch auf die psychische Ebene aus. Ich finde, die Hilfsangebote müssten sich besser darauf einstellen und sich entsprechend anpassen. Und wenn man als Einrichtung selbst nicht alles leisten kann, dann muss man die Leute an andere Angebote weiterverweisen. 
Was hat dir im Praktikum am meisten Spaß gemacht? Und welche war die größte Herausforderung?
Da wäre zum einen der abwechslungsreiche Tagesablauf in der Anlaufstelle zu nennen. Trotz gelegentlicher „Hochs und Tiefs“ hat mir die Arbeit dort immer Spaß gemacht. Spannend war aber auch die aufsuchende Arbeit, denn auf diese Weise taucht man direkt in die Lebenswelt der wohnungslosen Menschen ein. Mit Leuten zu sprechen, die sich auch bei extremer Kälte draußen aufhalten müssen, das war sehr eindrücklich für mich.
Eine gewisse Herausforderung war sicherlich die Arbeit in der Werkstattschule, denn dort hatte ich mit einer anderen Altersgruppe zu tun. Durch mein freiwilliges Engagement in diversen Jugendzentren war ich mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen schon vertraut, während ich mit jüngeren Schülern bislang noch nicht gearbeitet hatte. Das war eine ganz neue Erfahrung für mich. 
Was nimmst du als wichtigste Erkenntnis oder Fazit mit zurück ins Studium?
Das Praktikum hat mich in meiner Studienwahl bestätigt. Im zweiten Semester haben wir gelernt, dass man sich in der sozialen Arbeit stets kleine Ziele setzen sollte. Verschlechtert sich die Lebenssituation einer Person zum Beispiel nicht, dann kann das allein schon als Erfolg gewertet werden. Und genau auf diese Art und Weise arbeitet die Straßenschule ja auch. Der Ansatz ist niederschwellig und man begegnet sich immer auf Augenhöhe. Das ist die Grundlage dafür, dass man mit den jungen Leuten überhaupt so eng zusammenarbeiten kann.
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