Die Geburt eines Babys bringt oft viele Veränderungen und noch mehr Fragen mit sich. Wenn sich Eltern in der Erziehung oder bei Problemen unsicher sind, bietet die Erziehungs- und Familienberatungsstelle im SOS-Familienzentrum Berlin Hilfe und Unterstützung. Ingrid Lassonczyk-Haas leitet seit neun Jahren das Angebot zur Eltern-Säuglings-Kleinkindpsychotherapie und Beratung.
Welche Fragen werden Ihnen oft gestellt? Mit welchen Themen werden Sie in Ihrer Arbeit konfrontiert?

Viele Eltern fragen mich, was sie tun können, wenn das Baby bzw. Kleinkind zu viel schreit, sich nicht trösten lässt, starke Wutanfälle bekommt, nicht richtig isst oder trinkt, Ängste zeigt, sich nicht alleine beschäftigen kann, nicht gut schläft oder psychosomatische Beschwerden zeigt. Oft kommen Eltern mit Fragen zur Individuations- bzw. Autonomieentwicklung (sog. Trotzphase), bei extremen Wutanfällen des Kindes, Verzögerungen bei der Sauberkeitsentwicklung oder manchmal mit der Sorge, dass das Kind autistische Züge hat oder hochbegabt sein könnte. Auch Probleme bei der Kitaeingewöhnung oder Schwierigkeiten, die Kleinkinder in der Kita zeigen, werden oft angesprochen. Auch Eltern von frühgeborenen Kindern, die oft Bindungsprobleme zeigen und Eltern mit adoptierten Kindern berate ich. Bisweilen steckt hinter den Auffälligkeiten eines Kindes beispielsweise der Paarkonflikt der Eltern, chronische Erschöpfung oder unverarbeitete Traumen der Eltern. Mütter leiden manchmal unter postpartalen Depressionen oder junge Väter geraten bisweilen in schwere psychische Krisen, wenn sie sich mit der auf sie zukommenden Verantwortung überfordert fühlen.
Mitunter berichten Eltern auch, dass sie selbst in ihrer Kindheit missbraucht, misshandelt und/oder vernachlässigt wurden und dies nicht an ihre eigenen Kinder weiter geben möchten, sondern versuchen wollen, es anders zu machen, als die eigenen Eltern. Das finde ich immer sehr mutig und bedeutet manchmal auch viel innere Arbeit für die Klienten und Klientinnen, das heißt auch Auseinandersetzung mit der eigenen Kindheit und teilweise auch mit schwer aushaltbaren Gefühlen. Denn festgefahrene psychische Muster zu unterbrechen bedeutet intensive Auseinandersetzung mit sich selbst und den eigenen erfahrenen Verletzungen. Wenn dies gelingt kann sich dies sehr positiv auf die Eltern-Kind-Beziehung und Bindung auswirken, denn die Eltern sind dann in der Lage die Fehlinterpretationen der kindlichen Signale zurück zu nehmen und können somit feinfühliger und klarer mit ihren Kindern umgehen.
Viele Eltern wissen nicht, dass auch schon Säuglinge und Kleinkinder starke Emotionen haben, und Kinder ihre Eltern dringend brauchen um zu lernen, Gefühle aus zu drücken, einzuordnen und damit umzugehen. Die Regulationskompetenzen, die man später als Erwachsener zur Verfügung hat, entwickeln sich bereits in den ganz frühen Bindungsbeziehungen. So sind Säuglinge und Kleinkinder gleichermaßen physisch wie psychologisch auf die elterliche Fürsorge angewiesen.
Welchen beruflichen Hintergrund haben Sie und welches Angebot kann bei Ihnen in Anspruch genommen werden?
An der TU Berlin habe ich Erziehungswissenschaften studiert und anschließend eine Ausbildung zur Kinder-und Jugendlichenpsychotherapeutin (tiefenpsychologisch fundiert)absolviert und mich zur analytischen Eltern-Säuglings-Kleinkindpsychotherapeutin weitergebildet. Ich biete im SOS Familienzentrum seit nunmehr 9 Jahren Eltern-Säuglings-Kleinkind-Psychotherapie und Beratung an.
Wie können sich Ratsuchende anmelden?
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Der Weg zu mir in die Psychotherapie oder Beratung ist ganz leicht: Sie haben ein Problem mit Ihrem Kind? Dann müssen Sie sich nur persönlich, telefonisch oder per E-Mail an unser Sekretariat wenden, kurz ihr Anliegen schildern und dann werden Sie von mir zurückgerufen und wir vereinbaren einen Termin für ein Erstgespräch.
Wie genau sieht die Beratung aus? Gibt es einen konkreten Ablauf?
In einem ausführlichen Erstgespräch erfolgt eine erste Anamnese. Es gibt auch die Möglichkeit Video-Interaktions-Diagnostik in Anspruch zu nehmen und dann gemeinsam mit den Eltern sehr kleinschrittig die Interaktionen zwischen Erwachsenen und Säugling/ Kind zu analysieren und gegebenenfalls zu optimieren. In der Regel folgen dann zwischen 5-25 Termine in einem jeweiligen Abstand von ein bis zwei Wochen.
Müttern oder Vätern, denen es besonders schwer fällt sich in ihre Kinder hineinzuversetzen biete ich ein amerikanisches Therapietrainingsprogramm „wait watch and wonder“ an, das sich immer wieder als wirkungsvoll erweist und hilft, die Eltern-Kind-Beziehung deutlich zu verbessern.
Viele Eltern sind sehr unsicher, was die Erziehung angeht, da es viele Erziehungsstile und Ratschläge gibt (Großeltern, Freunde, Eltern, Internet, usw.). Ich versuche meinen Klienten zu helfen, einen eigenen Weg zu finden und an ihren intuitiven elterlichen Kompetenzen anzuknüpfen. Oft erkläre ich auch entwicklungspsychologische wichtige Grundlagen und leiste Übersetzungshilfe, um das Kind in seinem momentanen Entwicklungsstand und seinen grundlegenden Bedürfnissen besser verstehen zu lernen.
Wie ist diese Beratungsmöglichkeit entstanden?
Ich wollte ein Angebot „stricken“ mit dem wir ganz früh, also ein stückweit präventiv ansetzen können, damit sich psychische Störungen bestenfalls gar nicht erst verfestigen müssen. Denn in den ersten drei Lebensjahren eines Menschen, darin sind sich alle Psychotherapieschulen, die Säuglingsforschung und die neuere Hirnforschung einig, werden die Grundlagen für die psychische Gesundheit eines Menschen, also für sein späteres Leben, gesetzt. Diese wichtigen Jahre beeinflussen einen Menschen und seine Psyche oft das ganze Leben. Denn die Fähigkeiten der Eltern, die Beziehung zum Kind resonant und altersadäquat zu gestalten und eine gute Bindung herzustellen, tragen wesentlich zur Entwicklung einer psychisch stabilen Struktur des Kindes bei. Insofern ist die Behandlung von Störungen im Säuglings- und Kleinkindalter eine sehr nachhaltige Intervention, da sie frühzeitig den Prozess der Persönlichkeitsentwicklung fördert.
Werden die Kleinkinder schon in die Beratung involviert oder ist es eine reine Beratung für Erwachsene?
Durch meine Ausbildung zur Eltern-Säuglings- und Kleinkindtherapeutin geht es immer um die Kommunikation und Interaktion mit dem Kind. Kurz zusammengefasst lässt sich sagen: Nicht der Erwachsene oder das Kind wird „behandelt“, sondern im Fokus steht die Eltern-Kind-Beziehung und die Eltern-Kind-Bindung. Psychodynamische Aspekte und auch biographische Arbeit, bezüglich der eigenen Kindheit und den inneren elterlichen Repräsentanzen der Klientinnen stehen ebenfalls im Mittelpunkt der Behandlung.
Ziel ist Beratung/ der Therapie ist es, das intuitive Elternverhalten der Bezugspersonen zu aktivieren, Projektionen auf das Kind aufzulösen und den Säugling/ das Kleinkind in seiner Selbst- und Affektregulierung zu unterstützen, damit sichere Bindung, Autonomie- und Selbstentwicklung möglich wird.
Welches Feedback haben Sie von Klienten bekommen?
Ich bekomme oft ein sehr positives Feedback – Die Eltern freuen sich, wenn sie eine bessere Beziehung, eben besseren Kontakt zu ihren Kindern bekommen, ihre Kinder und deren Bedürfnisse nach Bindung aber auch nach Ablösung besser verstehen und wenn sich ihre Kinder gut entwickeln und die Symptome verschwinden. Da Kinder sich in diesem Alter rasant entwickeln, sind auch positive Entwicklungen schnell zu erkennen. Das ist natürlich für mich als Therapeutin schön, dies mit zu erleben.